Reibach ohne Werbung

DIGITAL Die Software Adblock Plus blockiert Reklame auf Webseiten. Die Firma, die daran verdient, wird nun scharf kritisiert

Kritiker sagen, da nutzt eine Firma ihre Marktmacht aus

VON LALON SANDER
UND ALEXANDER KOHN

„Adblock Plus“ ist eine Macht im Internet. Wen Werbung im Netz nervt, der kann sie blockieren – indem er sich die kostenlose Erweiterung für den Browser installiert. 40 Millionen Menschen weltweit nutzen die Anwendung, die damit klarer Marktführer ist – allein beim Browser Firefox sind es 15 Millionen, die nächstbeliebte Anwendung hat dort gerade einmal 250.000 Nutzer. Wer von Werbeblockern im Netz spricht, meint meist „Adblock Plus“.

Zum Beispiel Andreas Perband, der stellvertretende Chefredakteur des Technikmagazins PC Welt. Die Inhalte auf pcwelt.de sind kostenlos zugänglich, Geld wird mit eingeblendeter Werbung verdient. Doch die Einnahmen bröckeln und daran, so sieht es Perband, sind Anwendungen wie „Adblock Plus“ schuld: Die Zahl der Leser, die die Website mit Adblocker besuchen, nehme deutlich zu. „Das trifft einen Verlag schon sehr“, sagt Perband.

Während die Einnahmen anderswo sinken, arbeitet die Eyeo GmbH, der „Adblock Plus“ gehört, kostendeckend mit 15 Angestellten. Das ist überraschend, denn sie verkauft ja nichts. Möglich macht das eine Funktion, die die Firma wenige Monate nach ihrer Gründung 2011 einführte: „akzeptable Werbung“.

Wer „Adblock Plus“ installiert hat, kann diese „akzeptable Werbung“ zwar auch ausschalten, standardmäßig ist sie aber eingeschaltet. Ein Schlupfloch für Websites, um doch noch Werbung anzuzeigen. Betreiber müssen dafür die Aufnahme in eine „weiße Liste“ beantragen. Die Idee: Freigeschaltet wird nur, wer unaufdringliche Werbung anbietet. Einige bezahlen sogar dafür, der Webhoster 1&1 etwa, oder Google.

Werbung besser machen

„Es hat im Internet eine Fehlentwicklung gegeben: Werbung nervt einfach nur“, sagt Eyeo-Geschäftsführer Till Faida. „Wir wollen bessere Werbeformate etablieren.“ Mit der Funktion der „akzeptablen Werbung“ würden alle Beteiligten, Nutzer und Websitebetreiber einen Kompromiss eingehen: Die Nutzer werden nicht genervt, die Betreiber verdienen wieder Geld.

Kritiker sagen, da nutzt eine Firma ihre Marktmacht aus, um anderen ihre Bedingungen aufzuzwingen und nebenbei vorzugeben, wie Werbung im Netz auszusehen hat. Andreas Perband spricht von „Wegelagerei“: „Da wird einem die Reichweite geklaut, und dann wieder zurückverkauft.“

Das Technik-Onlinemagazin Mobilegeeks berichtet über einen Interessenkonflikt bei Eyeo. Einer der Besitzer, Tim Schumacher, besitzt auch Anteile am Marketing-Netzwerk „Yieldkit“. Das wiederum steht auf der weißen Liste akzeptierter Werbung von Adblock Plus. Auch Websites wie GMX, Web.de und 1&1 stehen mit Schumacher über ein Partnerunternehmen in Beziehung – auch auch sie tauchen auf der weißen Liste auf.

„Ein mafiöses Netzwerk“, wettert Autor Sascha Pallenberg auf Mobilegeeks. Es sei „naheliegend, dass Seiten, mit denen wir über private Netzwerke verbunden sind, sich als Erstes beteiligen“, entgegnet Eyeo-Mann Till Faida.

Eyeo ist dabei nicht die einzige Firma, der vorgeworfen wird, für beide Seiten zu arbeiten: Die Browser-Erweiterung Ghostery mit weltweit 19 Millionen Nutzern blockiert auf Websites verborgene „Tracker“, die Daten über die Surfgewohnheiten von Nutzern sammeln. Wie das Magazin Technology Review berichtete, gibt Ghostery die Daten seiner Nutzer aber an Firmen weiter, damit diese erfolgversprechendere Werbung entwickeln könne.

Faida zufolge werden Webseiten, mit denen Mitbesitzer Schumacher verbandelt ist, nicht bevorzugt. Faida verweist darauf, dass jede Freischaltung zunächst im Adblock-Forum zur Diskussion gestellt werde. Doch mehr als ein bis zwei Posts in über einem Jahr haben selbst die rund 30 aktiveren User dort nicht geschrieben. Rege beteiligen sich dagegen: Till Faida, Eyeo-Mitgründer Wladimir Palant und der Eyeo-Angestellte Thomas Greiner. Von gut hundert Websites, die freigeschaltet werden wollten, gab es bei den meisten kaum Kommentare.

Die Firma Yieldkit bemühte sich ab April 2012, auf die weiße Liste von Adblock Plus aufgenommen zu werden. Vergeblich: Ein Nutzer widerspricht. Monatelang passiert nichts. Im November berichtet Yieldkit, dass Eyeo-Mitbesitzer Schumacher in die Firma einsteige. Wenig später startet Faida eine Initiative, um die Kriterien für die weiße Liste zu ändern – sodass auch Yieldkit zugelassen werden könnte. Am selben Tag postet Schumacher im Forum: „Ich glaube, das ist eine schlaue und ausgewogene Änderung.“ Sie wird angenommen. Seit März steht Yieldkit auf der weißen Liste.

Hat da Schumachers Einfluss eine Rolle gespielt? Faida und Yieldkit-Chef Oliver Krohne bestreiten das. Dafür, dass Schumachers Beziehungen kein Wettbewerbsvorteil sind, spricht, dass ausgerechnet Webhoster 1&1, mit dem Schumacher auch in einer Beziehung steht, für die Aufnahme auf die weiße Liste bezahlt.

Schutzgeld für Verlage?

Immer wieder gibt es Berichte, dass Adblock Plus seine Marktmacht für eine Art Schutzgelderpressung nutzt. Wer einen Teil seiner Werbeeinnahmen wiederhaben wolle, werde aufgefordert, Geld dafür zu bezahlen, so der Vorwurf. Auch PC Welt erhielt ein Angebot: Zunächst sei es um eine kostenlose Testphase gegangen – darin sind sich PC-Welt-Vizechefredakteur Perband und Till Faida einig. Doch laut Perband sollte die Freischaltung später kostenpflichtig werden: „Es ging um einen Anteil an den Werbeeinnahmen“. Ein Missverständnis, sagt Faida: Für Blogs und Verlage sei die weiße Liste immer kostenfrei.

Doch warum soll überhaupt dafür gezahlt werden, dass „akzeptable Werbung“ freigeschaltet wird? Weil die Pflege der weißen Liste einen „erheblichen Aufwand bedeute, argumentiert Adblock Plus. Auch 1&1 sprach sueddeutsche.de gegenüber von „technischen Aufwandsentschädigungen“.