al forno
: Friedhof der Favoriten

FRANK KETTERER über Unvollendete, die bei Olympia Probleme mit der Formvollendung hatten

Zum Beispiel Janne Ahonen, den alle Welt selbst noch dann den Mann mit der Maske nannte, als er zum Skispringen längst mit offenem Visier antrat. Dieser Janne Ahonen, 28, hat so ziemlich alles gewonnen, was es in seinem Sport zu gewinnen gibt, weshalb hier nur die größten Erfolge aufgezählt seien, schon aus Platzgründen: Dreimal Weltmeister war der stille Finne mit seiner Mannschaft, zweimal ganz alleine. Außerdem hat er viermal die Vierschanzentournee gewonnen und zweimal den Gesamtweltcup. Ziemlich genau zehn Jahre springt er schon in der Weltspitze mit, in der meisten Zeit sprang er ihr sogar voraus.

Ahonen, der nie zu lächeln scheint und trotzdem ein netter Kerl ist und ein tadelloser Sportsmann, dieser Ahonen ist einer der besten Skispringer, die es jemals gab – und trotzdem fehlt dem Mann aus Lahti etwas ganz Entscheidendes: ein Olympiasieg. Silber hat er schon gewonnen, gleich zweimal und jeweils mit der finnischen Mannschaft, nämlich vor vier Jahren in Salt Lake City – und an diesem Montagabend. Zu mehr aber hat es noch nicht gereicht bei den Spielen: Jeweils Vierter wurde er in den Einzelwettbewerben von Nagano und Salt Lake City, nur zu Platz sechs und neun reichte es hier in Turin, obwohl er doch wegen nichts anderem hierher gekommen ist, als seinen letzten sportlichen Traum zu erfüllen. Aber jetzt wird Ahonen, wenn das Feuer demnächst erlischt, genauso zurück nach Hause fahren, wie er hierher gekommen ist: ohne Olympiasieg.

Unvollendete nennt man Sportler wie Ahonen, und letzten Endes steckt in diesem Wort alles, was es über Karrieren wie die des Finnen zu sagen gibt: all die Siege – und doch auch diese eine Niederlage. Nirgendwo versammeln sich diese Geschichten so häufig wie bei Olympia, auch in Turin ist Ahonen nicht der einzig Unvollendete, man denke da nur an Hermann Maier, den Herminator. Okay, der Österreicher hat schon zweimal olympisches Gold gewonnen, vor acht Jahren nämlich und im Super-G sowie im Riesenslalom. Dem Olympiasieg in der Abfahrt aber jagt der weltbeste Abfahrer seitdem hinterher. 1998 in Nagano stürzte er brutalst (bevor er dann just in den Tagen darauf die beiden Goldmedaillen gewann), vor Salt Lake City wiederum hatte er einen Motorradunfall, der ein Bein so übel zurichtete, dass lange fraglich war, ob er überhaupt jemals wieder würde gehen können, vom Skifahren ganz zu schweigen. Längst ist er wieder einer der Weltbesten auf den Brettern, und dass er vor diesen Spielen in Turin in einem Interview gesagt hat, dass ihn dazu auch der noch fehlende Olympiasieg in der Abfahrt getrieben hat, will schon was heißen. Maier, so könnte man sagen, wollte sich vollenden, aber geschafft hat er das genauso wenig wie Ahonen. In der Abfahrt von Turin ist Maier Sechster geworden. Nur Sechster.

Wobei man fast schon am Ende angekommen ist – und somit bei Hannu Manninen. Manninen ist der überragende Kombinierer dieser Saison, fast nichts, was er nicht gewonnen hätte in diesem Winter. So stand der Finne bei acht (!) Weltcuprennen auf dem höchsten Treppchen des Siegers, und zwar in sämtlichen Spielarten der Nordischen Kombination, als da wären: Einzel, Sprint und Staffel. Manninen, der im zarten Alter von 15 Jahren an seinen ersten Spielen teilgenommen hat, ist also nicht nur ein großes Talent, er ist längst mehr: der Star der Branche, zumal er ja auch schon Olympiasieger und Weltmeister ist, das allerdings mit der finnischen Staffel. Im Einzel hat es ihm noch nie gereicht für eine Medaille, nicht bei Olympia und noch nicht einmal bei Weltmeisterschaften. Manninen selbst empfindet das als Manko, er weiß, dass ihm da etwas fehlt. Und natürlich ist er nach Turin gekommen, um dem Abhilfe zu schaffen. Aber dann ging Olympia los mit dem langen Einzel, und Manninen bekam beim Laufen keine Luft mehr und wurde Neunter. Für viele Finnen ist Manninen nicht stark genug im Kopf, und so richtig eine Aufmunterung für das Sprintrennen war das natürlich nicht. Auf die Schanze ist der 27-Jährige gestern dennoch gestiegen, gelandet ist er schließlich bei 121,5 Metern – und somit umgerechnet 1:10 Minuten hinter dem führenden Georg Hettich. 1:10 Minuten auf 7,5 Kilometer sind normalerweise machbar für Manninen, das hat er schon gezeigt. Aber ob er das bei den Winterspielen schaffen sollte, das war die große Frage. Es reichte am Ende nicht. Nur Platz 12 für den Finnen. Er blieb damit ein Unvollendeter.