MOORD UN DOOTSLAGJAN SCHRÖTER: „FREUNDSCHAFTSDIENSTE“
: Ermittler wider Willen

Hansen will nichts aufdecken und tut es dennoch. Die Polizei dagegen taucht nur am Rande auf – als Nervensägen

Die Marketing-Abteilungen der Verlage haben dem Regionalkrimi zu einiger Verbreitung verholfen – aber auch zu einem zweifelhaften Ruf. Aber: Sind Regionalkrimis wirklich so provinziell? Das will die taz nord in dieser Serie in loser Folge ergründen.

Tom Hansen hat die Schnauze voll: Job weg, Frau weg, Stress mit der Tochter. Er will nur noch seine Ruhe. Deswegen übernimmt der 44-Jährige eine Buchhandlung in Hamburg-St. Pauli und verkauft Bücher, die er selbst als „linkslastig, friedensbewegt und politisch und ökologisch korrekt“ bezeichnet. Kunden hat er kaum, aber das stört ihn nicht. Manchmal mischt sich seine Vermieterin in seine Belange ein, aber solange sie nicht mitkriegt, dass er unerlaubterweise in seinem Laden wohnt, ist alles in Ordnung.

Gestört wird die Ruhe durch den Tod von Hansens Nachbar, Professor Burghausen. Der wird in seiner Wohnung aufgefunden, erschlagen von seinem Bücherregal. Kaum ist die Leiche abtransportiert, wird die frühere Gattin des Professors aus dem Fenster gestoßen, landet auf Hansens Postkartenständer und wird von diesem aufgespießt. Nun verstrickt sich der ehemalige Journalist Hansen immer tiefer in die familiären Abgründe, die zu dem mutmaßlichen Mord geführt haben. Und dabei will er das alles eigentlich doch gar nicht.

Jan Schröters „Freundschaftsdienste“ ist ein Kriminalroman, der auch ohne Ermittler auskommt. Hansen nämlich ist Phlegmatiker, er schlittert von einem Missgeschick ins nächste, während er versucht, seine doch reichlich ins Wanken gerate Welt wieder ein wenig gerade zu rücken. Er will nichts aufdecken und tut es dennoch. Die ermittelnde Polizei dagegen taucht nur am Rande auf, und noch dazu in Gestalt von kaum ernst zu nehmenden Nervensägen.

„Freundschaftsdienste“ ist unterhaltsam, leichtlebig und lustig. Von dem „Thrill“ allerdings, der auf dem Einband versprochen wird, ist nur wenig zu spüren. Vor allem geht es doch um den Charakter Hansen und darum, wie das Leben mit ihm umspringt. Nicht umgekehrt. Der Stadtteil St. Pauli dient als Großstadtkulisse, spielt aber ansonsten keine wesentliche Rolle. Wichtiger ist das Lokalkolorit da schon in der TV-Serie „Großstadtrevier“, für die Schröter jahrelang Drehbücher geschrieben hat.

Der Autor, gebürtiger Hamburger, lebt heute im schleswig-holsteinischen Bad Bramstedt. Er hat Germanistik und Sonderpädagogik studiert und – ganz so wie sein Romanheld Hansen – einmal eine eine Buchhandlung betrieben. Neben Drehbüchern schrieb Schröter auch Reiseführer und Kolumnen, Erfahrungen mit dem Krimi-Genre erwarb er sich mit der Kurzkrimi-Sammlung „Nur mal kurz... schon ist es vorbei“ und dem Hamburg-Thriller „Der Rikschamann“.

In „Freundschaftsdienste“ spiegelt sich, was der 52-Jährige über das Schreiben insgesamt sagt: „Es hilft natürlich sehr, wenn man schon ein bisschen etwas erlebt hat.“ Täter und Opfer sind bei ihm normale Durchschnittsbürger. „Norddeutsche“, sagt Schröter, „die erstmal kucken, und dann reden.“ LISA FRANKENBERGER

Jan Schröter: Freundschaftsdienste. Edition Temmen, 240 S., 12,90 Euro