Kasachstan schlittert in eine Staatskrise

Nach dem Mord an einem Oppositionellen werden fünf Geheimdienstler verhaftet. Chef der Staatssicherheit entlassen

BISCHKEK taz ■ Die Ermittlungen im Falle des ermordeten kasachischen Oppositionspolitikers Altynbek Sarsenbajew wachsen sich zu einer ernsten Staatskrise aus. Am Montag wurden fünf Mitglieder der Spezialeinheit „Aristan“ der kasachischen Staatssicherheit verhaftet. Der Chef des Komitees der Nationalen Sicherheit, Nartei Dutbajew, wurde gestern entlassen. Präsident Nasarbajew hat angekündigt, dass ohne Ansehen der Person ermittelt und der Täter zur Rechenschaft gezogen werde. „Kasachstan ist bei der Aufklärung des Verbrechens bereit, mit anderen Staaten zusammenzuarbeiten“, sagte er.

Sarsenbajew war mit seinem Leibwächter und seinem Fahrer am Montag vor einer Woche erschossen worden. Es kursieren Gerüchte in Kasachstan, dass der Mordauftrag hinter dem Rücken des Präsidenten aus der zweiten oder dritten Reihe des Machtapparates kommen könnte. Kurz nach dem Mord bezeichnete das Präsidiumsmitglied der Bewegung „Für ein gerechtes Kasachstan“, Amirschon Kosanow, Sarsenbajew als Opfer des kasachischen Geheimdienstes. „Sarsenbajew war ein führender Kopf der Opposition und seine Ermordung ist ein weiterer Versuch der kasachischen Staatsmacht, die politischen Widersacher zu zerstören“, erklärte Kosanow.

Für die außenpolitischen Pläne des zentralasiatischen Staates ist die Ermordung des Oppositionspolitikers ein Desaster. Kasachstan strebt 2009 die OSZE-Präsidentschaft an und muss die skeptischen europäischen Staaten von seiner Demokratiefähigkeit überzeugen. Im Gegensatz zu den anderen zentralasiatischen Staaten durchlebt Kasachstan dank des Erdölreichtums einen wirtschaftlichen Boom, an dem auch weite Teile der Bevölkerung teilhaben. Jedoch könnten potenzielle Nachfolger Nasarbajews Interesse haben, im Vorfeld mögliche charismatische Oppositionspolitiker aus dem Weg zu räumen. In der kasachischen Opposition gibt es Hinweise, dass hinter der Tat sogar der Schwager des Präsidenten Rachat Alijew stecken könnte. Er gilt als jähzorniger Mann, und mit dem 43-jährigen Oppositionspolitiker verband ihn eine langjährige Gegnerschaft.

Sarsenbajew gehörte zum Führungszirkel der Oppositionsbewegung „Für ein gerechtes Kasachstan“. Zu den Wahlen war dieses Bündnis mit dem gemeinsamen Kandidaten Scharmachan Tujakbai gegen Präsident Nasarbajew angetreten. Tujakbai erreichte bei dem von der OSZE kritisierten Urnengang 6 Prozent, Nasarbajew triumphierte mit über 90 Prozent.

Innerhalb von vier Monaten ist der zweite prominente kasachische Oppositionsführer eines gewaltsamen Todes gestorben. Am 12. November wurde der Ex-Bürgermeister von Almaty, Samanbek Nurkadilow, erschossen in seinen Privaträumen aufgefunden. Bis heute sind die Umstände dieser Tat nicht ganz aufgedeckt. MARCUS BENSMANN