„Wahnsinniges Projekt“

KONZERT Keith-Jarrett-Konzert-Aufzeichnungen von 1973 erstmals in voller Länge und im Dunkeln

66, Vereinsvorsitzender der „Freunde des Sendesaals“, machte vor 40 Jahren die Konzertaufnahmen

Herr Schulze, was macht das Keith Jarrett-Konzert im Bremer Sendesaal so besonders?

Peter Schulze: Dass es im Dunkeln ist, dass der Künstler selbst nicht anwesend sein wird und dass die Aufzeichnung des kompletten Konzerts, das Keith Jarrett auf den Tag genau vor 40 Jahren hier im Bremer Sendesaal gab, inklusive des bisher unveröffentlichten zweiten Teils vom ersten Set zu hören sein wird.

Wie kamen Sie in den Besitz des unveröffentlichten Materials?

Das stammt aus dem Archiv von Radio Bremen.

Warum blieb dieser Teil so lange unveröffentlicht?

Dafür war einfach nicht mehr ausreichend Platz vorhanden. Die Aufnahmen der Solokonzerte aus Bremen und Lausanne von 1973 wurden auf drei LPs von ECM-Records veröffentlicht und das war schon viel. Sechs Seiten mit improvisierter Klaviermusik, das war ein wahnsinniges Projekt und ein einmaliges und sehr wagnisreiches Unterfangen für die Plattenfirma! Die Platte wurde dann auf der ganzen Welt hoch dekoriert, aber das war damals ja noch nicht absehbar. Es ging schließlich um eine gänzlich neue Form des Klavierspiels. Derart völlig frei improvisierte Klavierkonzerte hatte es bis dahin nicht gegeben.

Wollte Keith Jarrett das Konzert in Bremen nicht eigentlich in letzter Minute absagen?

Das stimmt, wir waren damals vor dem Konzert noch zusammen essen und da klagte er über starke Rückenschmerzen. Er war kurz davor, das Konzert abzusagen, schien die Herausforderung dann aber doch zu brauchen.

Sie meinen, es ging ihm um die Herausforderung?

Ich denke es waren auch der Saal und dessen dichte und intimer Atmosphäre, die ihn reizten. In dieser Hinsicht ist Keith Jarrett ja ein sehr schwieriger Kandidat.

Inwiefern?

Er ist ein radikaler Musiker, der keine Fotoapparate duldet und auch schon mal wegen eines Räusperns aus dem Publikum sein Konzert abbricht. Bei einem Konzert am vergangenen Sonntag in Perugia hat er sein Konzert unterbrochen, weil ein Besucher zu stark fotografierte. Ich kann das jedoch sehr gut verstehen. Beim Improvisieren sitzt man sehr allein und nackt auf der Bühne. Jedes Geräusch und jede Ablenkung kann einem da alles zerreißen. In Perugia setzte Keith Jarrett sein Konzert nur unter der Bedingung fort, dass die komplette Bühnenbeleuchtung ausgeschaltet wurde.

Womit wir wieder bei dem Aspekt der Dunkelheit wären.

Stimmt, das Spielen im Dunkeln hat für viele Künstler einen enormen Reiz. In unserer Dunkelkonzertreihe stehen normalerweise immer nur lebendige Künstler auf der Bühne. Das Keith Jarrett-Konzert bildet die einzige Ausnahme. Hier wird anstelle des Künstlers nur ein leerer Flügel zu sehen sein.  INTERVIEW: MB

20 Uhr, Sendesaal, Bgm-Spitta-Allee 45