Studie: Türkei nutzt weiter Folter

Menschenrechtler nennen Lagebeurteilung des Auswärtigen Amts „Schönfärberei“

BERLIN taz ■ In der Türkei wird trotz der Reformen der letzten Jahre im Rechtsbereich weiter gefoltert und werden unter Folter erzwungene Aussagen weiter von den Gerichten verwendet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die amnesty international, die Stiftung Pro Asyl und die Holtfort-Stiftung gestern in Berlin präsentierten. Demnach haben Angeklagte in der Türkei, die eines politischen Delikts beschuldigt werden, in vielen Fällen auch weiterhin keinen fairen Prozess zu erwarten.

Gutachter Helmut Oberdiek, der konkret 18 Fälle untersuchte und bei 12 auf ernsthafte Folterhinweise stieß, sagte zur Rechtsstaatlichkeit politischer Prozesse: „Ich musste feststellen, dass sich so gut wie nichts verändert hat.“ Er wertete Gerichtsakten aus, sprach mit Rechtsanwälten Betroffener und beobachtete einige Prozesse vor Ort.

In den untersuchten Fällen hätten weder die Staatsanwaltschaft noch die Richter den Vorwurf der Folter angezeigt, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wären. Gerichte hätten in der Regel Foltervorwürfe nicht ernst genommen, sondern sie als Versuch der Angeklagten gewertet, ihrer Bestrafung zu entgehen. „Durch Folter erlangte Aussagen werden von den Gerichten genutzt,“ so Oberdiek. Sie trügen sogar teilweise entscheidend zur Urteilsfindung bei. Dabei dürften sie auch nach türkischem Recht vor Gericht nicht verwendet werden. Die Türkei ist zudem Vertragsstaat der UN-Antifolterkonvention, die die Verwendung erfolterter Aussagen gleichfalls verbietet.

Die drei Organisationen, die die Studie in Auftrag gegeben hatten, warfen dem Auswärtigen Amt vor, dass seine Berichte nicht der Lage vor Ort entsprächen. Das Amt hatte der Türkei umfassende rechtsstaatliche Reformen bescheinigt. Laut Jutta Hermanns von der Holtfort-Stiftung handele das Amt im besten Falle fahrlässig und sei uninformiert. Im schlechtesten Fall sei der Lagebericht von politischen Interessen geprägt. Die „Schönfärberei“ liefe auffällig parallel zu den Beitrittsverhandlungen der Türkei in die EU, sagte Hermanns.

Die falsche Einschätzung des Auswärtigen Amtes und der deutsche Verwaltungsgerichte hätte dazu geführt, dass gefährdete Flüchtlinge aus der Türkei in Deutschland keinen Schutz erhalten: Einige verlieren ihre Anerkennung als Asylberechtigte, andere werden in Strafverfahren an die Türkei ausgeliefert, wo ihnen ein unfairer Prozess droht.

Wolfgang Grenz von amnesty international forderte das Auswärtige Amt auf, sein Urteil zu überdenken. „Die Lageberichte sollen die Realität und nicht die Wünsche berücksichtigen.“ Er forderte zudem ausführliche Schulungen und Fortbildungen für die Sicherheitskräfte in der Türkei sowie die Einrichtung einer unabhängigen Untersuchungskommission, die den Foltervorwürfen nachgeht.

FRANZISKA BEYER

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