Kleine Gefälligkeiten

Zugegeben: In dieser Woche gab es größere Fälle von Lobbyismus: das Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft etwa, wonach die Wahlprogramme von SPD und Grünen 300.000 Jobs kosten könnten.

Aber um die kleinen, nahezu selbstverständlichen Gefälligkeiten zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu diskutieren, ist der Fall von Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), spannender. Siemens hat der Berliner Zeitung vom letzten Samstag eine zwölfseitige Werbung beilegen lassen – eine von denen, die Leser gerne ohne viel Nachdenken ins Altpapier befördern. Es sei denn, man gewinnt einen prominenten Gastautor, der Interesse weckt. Den gibt Schellnhuber: „Wir brauchen eine neue industrielle Revolution!“, fordert er auf der Umschlagseite: „Wenn wir unseren Kindern einen bewohnbaren Planeten hinterlassen wollen, dann müssen wir jetzt handeln.“

Drinnen im Heft betreibt Siemens Lobbypolitik: Udo Niehage, Siemens-Energiewende-Beauftragter, fordert eine sogenannte Versicherungsprämie, die Betreiber von Wind- und Solaranlagen zahlen sollen, damit Kohle- und Gaskraftwerke „bei Windstille oder Bewölkung“ einspringen können. Die dürfte die Energiewende bremsen, die Siemens-Geschäfte eher befördern. Aus der Solarenergie ist der Konzern kürzlich ausgestiegen, baut aber schlüsselfertige Gaskraftwerke.

Siemens-Vorstand Barbara Kux hatte dem PIK zum 20-jährigen Bestehen 2012 so gratuliert: „Bei Siemens erachten wir den engen und regelmäßigen Austausch mit dem Potsdam-Institut als wichtige Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.“ Gehören dazu auch Aufsätze für Werbebeilagen? Schellnhuber war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. MARTIN REEH