Möglichst zu vermeidende Gefälligkeiten

KONZERT Sie zählen zur Riege der Garage-Rocker Kaliforniens, mit aus Noise-Geschrammel geschälten Melodien – womit nun allerdings Schluss sein soll: im West Germany gaben die Sic Alps am Wochenende ihr letztes Konzert

Der Weg zur richtigen Melodie ist ohne Umwege nicht zu haben

VON LISA FORSTER

Warum aufhören? „Es fühlte sich einfach wie die richtige Zeit dafür an“, lautet die lapidare Antwort von Barrett Avner, dem Gitarristen der kalifornischen Band Sic Alps, die am Freitag im West Germany ihr angeblich letztes Konzert spielte.

Dass die Band jetzt ihre Auflösung bekannt gibt, mag überraschen. Seit ihren Anfängen in den frühen nuller Jahren ließ sie von einer kontinuierlichen musikalischen Weiterentwicklung hören. Wo ihr Garage-Rock anfangs durch unendlich viele Hallräume verzerrt wurde, läuteten auf dem letzten, selbst betitelten Album Streicher eine Reihe von Songs ein, deren Melodien plötzlich nicht mehr nur wie zufällige und möglichst zu vermeidende Gefälligkeiten klangen.

Die Musik der Sic Alps entspricht einer Machart, die derzeit auch etlichen anderen kalifornischen Garage-Rockmusikern Aufmerksamkeit einbringt – etwa Ty Segall, Mikal Cronin oder Thee Oh Sees (Letztere spielen am 23. Juli im Festsaal Kreuzberg). Die eingängigen Melodien müssen sich dabei immer erst aus einem Noise-Geschrammel und kreischenden Rückkopplungen schälen. Die Harmonie begegnet einem in dieser Musik nur mit Reibungswiderstand, die Dissonanzen werden produktiv. „A Long Way Around To A Shortcut“ titelten die Sic Alps 2008 eine Singles-Kompilation: der Weg zur richtigen Melodie ist ohne Umwege nicht zu haben.

Provozierend beiläufig

Während des Konzerts wird dieses Auf- und Abebben der Klangbeschwörungen noch deutlicher, so wie die vier Musiker zu immer neuen Versuchen ansetzen, eindringliche Hooks zu entwerfen, um diese gleich wieder zu zerstören und sie damit provozierend beiläufig zu gestalten.

Das ist nun nicht unbedingt neu, evoziert jedoch vor allem live eine spontane Stimmung, in der sich der federnde, von einem souligen Rhythmus vorangetriebene Sound in die Knochen setzt. So erinnern Sic Alps daran, dass Garage-Rock eine Musik ist, die sich immer auch durch ihre Atmosphäre definiert. Auch abseits der Bühne: etwa im Do-it-yourself-Gestus der Szene und der Veröffentlichungspraxis. Ihr letztes Album brachte die Band bei Drag City auch als Kassette auf den Markt, und Sic-Alps-Sänger Mike Donovan betreibt ein eigenes Kassetten-Label. Das sei ein Weg für ihn, dem ganzen Mist der Plattenlabels aus dem Weg zu gehen, wie er in einem Interview erklärte.

Manchmal ermattet das Stampfen der Musik im West Germany auch und es kommt nichts Zwingendes mehr nach einem Riff. Dann werden die Pausen fast zu lang, und Donovan bedankt sich gleich mehrmals für das Kommen der Gäste. Bis schließlich die Schraffen der Gitarren wieder einsetzen, zusammen mit Donovans seltsam körperlosem Gesang, der wie die Instrumente manchmal erst lässig und unaufgeregt auf der Suche nach dem richtigen Ton zu sein scheint.

Gegen Ende des Konzerts versinkt Donovan über seiner Gitarre, kniet am Boden, die Band stimmt ihr letztes Lied an. „Where do they go in time? / Do you think that they will die? / They’re on that time-line.“ Doch das Publikum will sie noch nicht gehen lassen, mit den Melodien im Kopf pfeift es die Lieder nach, wartet auf eine Zugabe. Letztlich bekommt es im West Germany von den Sic Alps mit einem Cover von Bob Dylan ein würdiges, leicht ironisches Finale. „It’s All Over Now, Baby Blue“, stimmt Mike Donovan an und geht von der Bühne. Die anderen Bandmitglieder schließen sich noch einmal in die Arme.

Warum aufhören? Vermutlich verbirgt sich hinter der angekündigten Auflösung der Band kein großes Konzept, schließlich sind die Bandmitglieder, betont Barrett Avner, in mehreren anderen musikalischen Projekten involviert.

Die Kanten und Brüche, die die Musik der Sic Alps auszeichnen, verweisen damit auch strukturell auf die Vernetzung und Produktivität, der man innerhalb der kalifornischen Garage-Szene begegnet. Ist es an einer Stelle zu Ende, wird eben an einer anderen weitergemacht. Ohne großes Bedauern – denn „all over“ ist es mit ihrer Musik sicher noch lange nicht.