Perspektiven im grünen Bereich

MIT UMWELT GELD VERDIENEN Die Green Economy schafft Wachstum und Beschäftigung in Berlin. Die Zeiten werden zwar härter, weil die internationale Konkurrenz nicht schläft. Doch politisch gesetzte Ziele sorgen für Nachfrage

Berlin hat zwei Vorteile: viele Fachkräfte sowie eine gute Infrastruktur

VON SVEN KULKA

Die Green Economy ist eine der wichtigsten Brachen für den Berliner Wirtschaftsstandort. In vielen Instituten und Hochschulen forschen Wissenschaftler für die Umwelt und die Branche wächst. Doch die Zeiten werden härter, denn der internationale Wettbewerb auf den grünen Wachstumsmärkten nimmt zu.

Bundesweit haben sich im März 2010 rund 10.300 Umweltunternehmen im Umweltfirmen-Informationssystem (Umfis) der Industrie- und Handelskammern eingetragen. Für Berlin sind 651 Unternehmen gelistet, für Brandenburg 294. Laut IHK Berlin 2007 erwirtschafteten beide Bundesländer zusammen einen Gesamtumsatz von rund 520 Millionen Euro.

Mehr als 35 Prozent aller in Deutschland hergestellten Fotovoltaik-Module beispielsweise kamen 2007 aus Berlin, 2020 soll der Biogas-Anteil im Berliner Netz etwa 10 Prozent betragen und die Wasserwirtschaft prägt seit Jahren die Branche. „Berlins Green Economy schafft industrielles Wachstum und technologische Innovationen“, betont Wirtschaftssenator Harald Wolf. Das ambitionierte Klimaschutzziel, in Berlin die CO2-Treibhausgase um 40 Prozent bis 2020 gegenüber 1990 zu reduzieren, würde zudem entscheidende Anreize geben, die Hauptstadt als Standort klimafreundlicher Zukunftsstrategien weiter nach vorn zu bringen.

2008 waren rund 26.600 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in den umweltpolitischen Kernbranchen Berlins tätig. So viel wie in keiner anderen Stadt Deutschlands. Dafür gibt es mehrere Gründe: Unternehmen der Branche sind heute nicht mehr abgegrenzt zur traditionellen Wirtschaft. Denn immer mehr traditionelle Unternehmen stellen ihre Produktion um und investieren in neue Technologien zum bewussten Umgang mit Energie und Umwelt. Zudem hat Berlin im Vergleich mit anderen Großstädten zwei Vorteile: viele Fachkräfte sowie eine gute Infrastruktur.

So eröffnete beispielsweise die Humboldt-Universität (HU) im Mai 2009 einen Schwerpunkt zur Klimafolgenforschung, und das Europäische Institut für Innovation und Technologie (EIT) beteiligt die Technische Universität (TU) Berlin an zwei Wissens- und Innovationsgemeinschaften, die jeweils mit mehr als 100 Millionen Euro gefördert werden. An diesen neuen Forschungsstandorten, den Knowledge and Innovation Communities (KICs), sollen Forscher und Entwickler aus Hochschulen, Unternehmen und Technologiezentren aus ganz Europa zusammengeführt werden und gemeinsam neue Ideen entwickeln.

Neben dem KIC, das Neuerungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie gewidmet ist, wird die TU auch am Klima-KIC beteiligt werden, wo Entwicklungen zum Klima und Klimawandel im Mittelpunkt stehen sollen. Damit sollen Berlin und Brandenburg zur europäischen Spitzenregion für Klimawandel, Vermeidungs- und Anpassungsstrukturen entwickelt werden.

Im Zentrum für Umwelt-, Bio- und Energietechnologien (UTZ) im Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof beispielsweise arbeiten 65 Unternehmen und Institute mit über 720 Beschäftigten auf rund 12.000 Quadratmetern gut ausgestatteter Fläche. Sie entwickeln und vermarkten Verfahren und Geräten etwa für die Wasser-, Boden und Luftanalytik sowie zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Ressourcen.

Zudem eröffnet die Green Economy Betätigungsfelder, die es vor Jahren so noch nicht gab. „Im Bachelor-Studiengang Meteorologie an der Freien Universität Berlin beispielsweise lernen die Studenten, wie man Stürme und Dürren vorhersehen kann oder wie sich das Klima einer Stadt verändert, wenn ein neuer Ortsteil entsteht“, erklärt Ulrich Cubasch vom Institut für Meteorologie der FU Berlin einen kleinen Teil der Lehrinhalte. Und es entstehen neue Berufe: etwa die Ausbildungen zu Fachkräften für „Kreislauf- und Abfallwirtschaft“, „Abwassertechnik“, „Rohr-, Kanal- und Industrieservice“ oder „Wasserversorgungstechnik“.

Experten erwarten allerdings, dass China und Indien bis 2025 Weltspitze in der Umwelttechnik-Forschung sein werden. Der Wettbewerb auf den grünen Zukunftsmärkten beginnt erst. Berliner Unternehmen der Energiewirtschaft beispielsweise könnten vor Ort verstärkt lokale Produkte für regionale Märkte entwickeln. So wäre die Produktion von Green Tech für Schwellenländer unabhängiger vom Heimatmarkt und das Geschäft würde mehr und mehr von den hart umkämpften umwelttechnologischen Märkten Europas, Japans und den USA auf neue Wachstumsregionen verlagert, so die Investitionsbank Berlin.

Die Zukunft in Berlin scheint grün. Unterstützen wird diese Entwicklung wohl auch das Vorhaben der EU-Staaten, den Anteil der jungen Hochschulabsolventen deutlich zu steigern, das geplante Ziel, die CO2-Emissionen gegenüber 1990 um 20 Prozent zu verringern, den Anteil der erneuerbaren Energien auf 20 Prozent zu erhöhen und den Energiekonsum insgesamt um 20 Prozent zu drosseln.