Flow und Co

RUMRENNEN Schon klar: Laufen ist gesund. Aber was passiert dabei eigentlich mit dem Körper?

VON BERND SKISCHALLY

Zu dunkel, zu kalt, zu rutschig – Ausreden, um sich vor dem Laufen zu drücken, gab es die vergangenen Monate genug. Jetzt, da die Schneemassen vielerorts geschmolzen sind und es länger als gefühlte zwei Stunden täglich hell ist, treibt es viele Läufer wieder auf Waldwege und Promenaden. Der Körper wird es einem danken, sagt Ronald Burger, Bewegungswissenschaftler der Universität Mainz. Denn es ist eine der effektivsten Methoden, um den Körper vom Kopf bis zum Fuß fit zu halten.

Kick dank Sauerstoff

Am schnellsten seien die positiven Effekte auf den Organismus im Kopf messbar, da sich der Hormonhaushalt schon nach ein paar Mal Joggen verbessere, sagt Burger. Vor allem beim Laufen in freier Natur setze der Körper wegen der erhöhten Sauerstoffzufuhr verschiedene Neurotransmitter, also Botenstoffe, frei, die im Gehirn für Glücksgefühle sorgen. „Durch regelmäßiges Training synchronisieren sich bei Läufern der Herzschlag, die Atmung und der Blutdruck. Im Zusammenhang mit den ausgeschütteten Hormonen spricht man auch von einem Flow-Zustand, in den der Körper gerät“, erklärt Burger. Voraussetzung dafür ist, dass man sich möglichst ohne die Reizüberflutung eines Fitnessstudios bewusst auf das Laufen konzentriert.

Positiv wirkt sich Joggen auch auf das Herz-Kreislauf-System aus. Schon nach wenigen Wochen vergrößere sich bei Läufern der Herzmuskel, sagt Burger. Durch das Laufen lernt der Körper außerdem, mehr Sauerstoff aufzunehmen, sagt Insa Röhling, die in Heidelberg seit zehn Jahren Laufkurse anbietet: „Der Organismus wird trainiert, mehr Sauerstoff aus der Luft über die Lunge in das Blut und die einzelnen Zellen zu transportieren“. Dadurch wird der Läufer ausdauernder.

Umstritten ist, wie man mit Joggen am effektivsten Fett verbrennt. Manche sind überzeugt, dass am besten abnimmt, wer möglichst lange und schnell läuft. Andere empfehlen lange, langsame Laufeinheiten. Burger plädiert für die Intervallmethode – mal schnell, mal langsam rennen: Wenn das Herz in langsameren Phasen weiter schnell pocht, während der Körper weniger Energie für die Bewegung benötigt, werde besonders intensiv auf die Fettreserven zurückgegriffen. Mindestens drei bis sechs Monate Lauftraining seien notwendig, sagt Burger, „damit man in seinen Körper reinhören kann und die individuell richtigen Intervallzeiten herausfindet“. Wer sich darauf nicht verlassen will, dem rät Burger zu einem Herzfrequenzmesser, der direkt am Brustkorb befestigt wird. „Der misst wesentlich genauer als beispielsweise ein Pulsmesser am Arm.“

Den Gelenken schadet regelmäßiges Joggen nicht, sagt Burger. Nach vier bis sechs Wochen Lauftraining seien nicht nur die Beinmuskulatur, sondern auch Stützmuskulatur an Rücken und Bauch gestärkt. Die Gelenke würden so entlastet.

„Winterauszeit ist okay“

US-Forscher veröffentlichten kürzlich eine Studie, die besagt, dass Barfußlaufen die Gelenke deutlich weniger belastet als Joggen in Schuhen – trotz moderner Dämpfungssysteme. Burger widerspricht: „Es wird nicht berücksichtigt, dass das körpereigene Dämpfungssystem auch mit Schuhen sehr gut funktioniert.“ Barfußlaufen sei zwar generell gesund, Erwachsene hätten aber meist verlernt, ohne Schuhe zu joggen. Stöße, die beim Laufen durch das Auftreten des Fußes entstehen, würden weitgehend abgedämpft, bis sie beim Kniegelenk ankommen.

Ob mit oder ohne Schuhe: Lauftherapeutin Röhling beruhigt alle, die sich an ihre letzte Joggingrunde kaum erinnern können: „Es ist okay, wenn man seinem Körper im Winter mal ein bisschen Auszeit gönnt.“ Nur zu lange sollte die Pause nicht dauern. Denn je länger man wartet, desto härter wird der Kampf mit dem härtesten Feind der Bewegung: dem inneren Schweinehund.