Durchschnittlich 90.000 Euro für jeden

280 Millionen Euro für fünf Wochen Streik: Zwar konnten die Nürnberger AEGler nicht verhindern, dass sie vom schwedischen Electrolux-Konzern vor die Tür gesetzt werden. Immerhin wird ihnen das aber mit üppigen Abfindungen sehr leicht gemacht

AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER

Das Ergebnis kam überraschend nach der Nachtschicht: Der Streik am Nürnberger AEG-Werk wird beendet, ein Sozialplan ist gefunden. Fünf Wochen hatten 1.700 AEG-Beschäftigten gestreikt – gegen die Schließung ihres Werks oder zumindest für eine ordentliche Abfindung. Die zeitgleichen Verhandlungsrunden zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber waren mit schöner Regelmäßigkeit gescheitert.

Letzte Woche hatte sich dann der ehemalige bayerische Wirtschaftsminister und jetzige Bahn-Vorstand Otto Wiesheu (CSU) eingeschaltet, ein erfahrener Mann zwar, aber angesichts der verhärteten Fronten zwischen dem Werkseigner Electrolux und der Gewerkschaft IG Metall schien auch mit Wiesheu als Moderator ein Erfolg mehr als ungewiss. Doch Wiesheu sondierte fünf Tage lang, gestern früh konnte er Erfolg vermelden. Das Werk wird zwar wie geplant 2008 geschlossen und die Produktion von Waschmaschinen, Geschirrspülern und Trocknern nach Polen und Italien verlagert. Aber die Verhandlungen brachte für die Mitarbeiter immerhin ein Abschiedspaket in Höhe von 240 Millionen Euro. Wichtigster Inhalt: Jeder AEGler erhält eine Abfindung in Höhe von 1,8 Bruttomonatsgehältern je Beschäftigungsjahr – durchschnittlich 90.000 Euro. Für Mitarbeiter über 53 Jahre gilt eine Vorruhestandsregelung, die ihnen bis zum 63. Lebensjahr eine Weiterzahlung von mindestens 79 Prozent des bisherigen Bruttogehalts sichert. Und – wie mittlerweile üblich bei Standortschließungen – werden die AEG-Mitarbeiter nach der Einstellung der Produktion für zwölf Monate in einer Übergangsgesellschaft angestellt, die die meist drohende Arbeitslosigkeit puffern soll.

Obwohl der Umfang des Sozialplans schon einmal von Arbeitgeberseite auf den Tisch gelegt worden war, ist die Wiesheu-Vermittlung auch für IG-Metall-Verhandlungsführer Jürgen Wechsler ein Erfolg: „Das ist ein gutes Ergebnis“, sagte er taz. Schließlich habe man sich bei den Bruttomonatsgehältern nicht in der Mitte geeinigt, sondern noch ein wenig mehr Abfindung erkämpft, als Electrolux geplant hatte: Knapp ein Monatsgehalt war deren Position, drei Bruttomonatsgehälter forderte die Gewerkschaft. Aber die 240 Millionen Euro können nicht verbergen, dass Arbeitsplätze abgebaut werden. „Man muss sehen, was wir nicht erreicht haben: den Erhalt des Standorts“, so Wechsler.

Denn Streik hin oder her – dem schwedischen Konzern Electrolux mit seinen weltweit 72.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von rund 13 Milliarden Euro (2004) ist die Produktion von AEG-Haushaltsmaschinen in Nürnberg zu teuer geworden. Zwar mache man noch „bescheidenen Profit“ in Nürnberg, aber die Zentrale in Stockholm hatte auch stets wiederholt, dass man bei jeder Nürnberger Waschmaschine, die im deutschen Markt verkauft wird, 60 Euro verliere. Den meisten Kunden sei mittlerweile ein guter Preis wichtiger, als „Made in Germany“ – und gute Preise lassen sich laut Electrolux nur mit geringerer „Kostenbasis“ erzielen. Laut Electrolux ist ein Hausgerätewerk in Polen 50 Millionen Euro pro Jahr billiger als ein deutsches.

Die Kosten waren auch der Hebel, mit dem die IG Metall einen Erhalt des deutschen Standorts erkämpfen wollte. Mit der Forderung nach einer generellen Weiterbeschäftigung in einem Qualifizierungsunternehmen bis 2010 und den genannten Abfindungssummen war die Gewerkschaft am 20. Januar in den Streik gegangen. 600 Millionen Euro hätte dieses Modell gekostet, die IG Metall spekulierte darauf, dass bei dieser Rechnung ein Weiterführen des Werkes billiger wäre, als das Dichtmachen.

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