Behinderte bauen Leuchtminen

BUNDESWEHR Bei der Lebenshilfe in Cuxhaven sollen Menschen mit geistiger Behinderung unwissentlich für die Rüstungsindustrie gearbeitet haben. In Zukunft will man besser nachfragen

„Wir erwarten, dass unsere Werkstätten bei Rüstungsfirmen kritischer sind und prüfen, welchen Auftrag sie annehmen“

JEANNE NICKLAS-FAUST, LEBENSHILFE

Mitarbeiter der Lebenshilfe in Cuxhaven haben unwissentlich für den Rüstungskonzern Chemring Defence gearbeitet. Die englische Firma mit Dependance in Bremerhaven hätte die Geschäftsführung der Behindertenwerkstatt zunächst nicht korrekt darüber informiert, für welchen Zweck die zugelieferten Teile hergestellt werden, teilte die Lebenshilfe mit. Mitarbeiter und Geschäftsleitung seien deshalb davon ausgegangen, Seenot-Leuchtsignale herzustellen.

Der Produktionsleiter der Cuxhavener Lebenshilfe, Stefan Wittmar, sagte der taz, bei dem Auftrag hätten seine Mitarbeiter im Februar bei rund 15.000 Metallfedern kleine Ketten eingehängt. Bei den Teilen handelt es sich einem Bericht von Radio Bremen zufolge um einen Zündstift, der in Bodenleuchtkörpern eingesetzt wird. Der Zünder werde demnach mit einem Stolperdraht verbunden, der etwa dazu diene, Bundeswehr-Lager zu schützen. Stolpert oder fährt jemand über ihn hinweg, wird der Zünder ausgelöst, um im Kriegsfall Eindringlinge zu bemerken und zu stellen, so der Bericht weiter. Produktionsleiter Wittmar stellte am Freitag klar, dass seine Mitarbeiter keine Teile für Produkte zugeliefert haben, mit denen Menschen getötet werden können.

„Nichtsdestotrotz ist es eine Firma, die an die Bundeswehr liefert“, sagte Wittmar. Grundsätzlich sei das für die Lebenshilfe aber kein Problem. Auch Jeanne Nicklas-Faust, Bundesgeschäftsführerin der Bundesvereinigung Lebenshilfe, bestätigte, dass Aufträge für die Bundeswehr, die der Verteidigung oder Aufrechterhaltung dienen, für den Verein prinzipiell in Ordnung und mit dem Grundsatzprogramm der Lebenshilfe vereinbar seien. Die Produktion von Landminen oder Gütern, die den Wert des Lebens nicht wahren, würde dagegen gegen die Philosophie der Lebenshilfe verstoßen. „Wir erwarten aber, dass unsere Werkstätten bei Rüstungsfirmen kritischer sind und genau prüfen, welchen Auftrag sie annehmen.“ Wittmar räumte ein, nicht genau genug geprüft zu haben, was seine Werkstatt da eigentlich herstellt hat.

Für die Cuxhavener Lebenshilfe arbeiten 400 Mitarbeiter mit Behinderung. Seit mehr als 20 Jahren arbeiten sie für den Bremerhavener Feuerwerkshersteller Comet. „Als die Firma 2006 von der englischen Rüstungsfirma übernommen wurde, habe ich vielleicht nicht genau genug nachgefragt“, so der Produktionsleiter. Künftig wolle er genauer hinterfragen, für welche Produkte die Aufträge erledigt werden. Bei Chemring Defence war am Freitag niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.  LENA KAISER