KAI SCHÄCHTELE WUTBÜRGER
: Der Kellerschlüssel im Altpapier

So, so. Frau Lott hält, wie sie in der vergangenen Woche geschrieben hat, „Bitte keine Werbung“-Schilder am Briefkasten für das Erkennungszeichen bürgerlicher Piefigkeit. Diesen Vorwurf kann nur erheben, wer sich nur mit dem Äußeren eines Briefkastens beschäftigt und nicht damit, wie es im Innern aussieht. Angefangen hat bei mir alles mit einem Kollegen, der mir zu erklären versuchte, wie wichtig es für die Arbeitshygiene sei, sein E-Mail-Fach sauber zu halten. Sein Postfach muss leer sein, wenn er am Abend den Computer herunterfährt. E-Mails liegen zu lassen, sagt er, sei, als würde man abends seinen Briefkasten nicht komplett leeren. Sehr richtig, dachte ich. Und begann, abends meinen Briefkasten nicht mehr komplett zu leeren.

Wichtige Briefe, Rechnungen und Postkarten nehme ich seitdem heraus. Das Schreiben eines Energieriesen, in dem er mich zurückzugewinnen versucht und so tut, als würden sich jeden Morgen hunderte Mitarbeiter versammeln, um meinen Weggang zu beweinen, die unzähligen an mich adressierten Briefe eines Olivenöl-Verkäufers, bei dem ich so fahrlässig war, ein einziges Mal bestellt zu haben, und die Massen an Werbezetteln von Umzugsunternehmen und Discountern, die auf meine Bitte pfeifen, bleiben liegen. Einmal in der Woche werfe ich alles zusammen unbesehen in den Papiercontainer. Das hat etwas sehr Befreiendes.

Auf den Geschmack gekommen, hat sich der Briefkasten inzwischen zu einem Außenposten meiner Wohnung gemausert. Heute lagere ich darin, was ich oben nicht haben möchte beziehungsweise unten besser brauchen kann. Den Kellerschlüssel zum Beispiel. Oder ein Kännchen, mit dem ich die Kette meines Fahrrads schmiere, wenn sie mal wieder um ein paar Tropfen Öl fleht. Ich werde deshalb auch in Zukunft alles daransetzen, mir die Leute vom Hals zu halten, die offensichtlich glauben, dass man Kunden findet, indem man sie nervt. Nicht, weil ich mich damit für einen Gutbürger hielte. Sondern weil ich mich sorge, dass sonst irgendwann mein Kellerschlüssel im Altpapiercontainer landet.

Hier wüten abwechselnd Kai Schächtele und Isabel Lott