klo, kulturkampf etc.
: Gekrös nur und Gestank

Bedrucktes Klopapier ist Glaubenssache. Blumenornamente auf leichter Rosétönung mag der tägliche Nutzer noch als überflüssigen Luxus abtun. Doch mit dem blauen Umweltengel kam in den Achtzigern eine stumme Botschaft ins Spiel: Auf grauem Untergrund erschien an unreinem Ort ein himmlischer Bote des reinen Gewissens. „Danke!“, hieß es auf den grauen Rollen einer Konkurrenzfirma. „Bitte!“, sprach man leise zu sich. In blümeranter Anmutung – war damit doch unweigerlich der in anderen Kulturkreisen nur schwer vermittelbare Zusammenhang von Literarizität und Fäkalosphäre hergestellt. Und wo sollte das noch hinführen? Zu Baudelaire?

Das stille Örtchen war schon immer ein Platz, an dem man auf seltsame Gedanken kommen kann. In diesem Zusammenhang wäre an die erneute juristische Niederlage zu erinnern, die der seit kurzem in Deutschland tobende Kampf der Kulturen neulich einstecken musste. Ein Geschäftsmann aus dem Münsterland ist zu gemeinnütziger Arbeit und einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden, weil er Klopapierrollen mit den Worten „Koran, der heilige Qur’an“ bedruckt und an die Presse und verschiedene Moscheen geschickt hatte. Jeder normal denkende Mensch müsste hier von einem kulturellen Missverständnis ausgehen.

Warum ausgerechnet Klopapier? Aus dem amerikanischen Terror-Camp auf Kuba wird kolportiert, man habe zum Zweck der Psychofolter umstandslos gleich den ganzen Koran ins Klo gespült. Und wie jeder Tourist weiß, zeigt sich die kulturelle Überlegenheit einer Zivilisation am deutlichsten in der Leistungsfähigkeit ihrer sanitären Anlagen. Mutmaßlich geht es dabei ja um eine der westlichen Kultur eingeschriebene Botschaft. In einem Knittelvers hatte ihr der alternde Thomas Mann schon in den Fünfzigerjahren literarischen Ausdruck verliehen: „Der Mensch, wie schön er sei, wie schmuck und blank, ist innen doch Gekrös nur und Gestank.“ Unweigerlich zieht das Streben nach Reinheit nur die Verlagerung des Schmutzes nach sich.

Am Wochenende läuft die Zerstörung von Dresdens Kulturdenkmälern im Fernsehen. Aber verdrängen wir dabei nicht immer noch etwas? Worauf schworen denn unsere Großeltern, als ihnen im letzten Kampf der Kulturen das Klopapier ausgegangen war? Auf bedrucktes Zeitungspapier, wo immer verfügbar, in handliche Quadrate zerschnitten, auf alte, rostige Nägel gespießt. JAN-HENDRIK WULF