rechtschreibreform etc.
: Krieg und Frieden

Noch immer ist der „Rechtschreibfrieden gestört“ (FAZ), es herrscht ein „Rechtschreibkrieg“ (FR) mit allen Mitteln: „Wir werden ihre Fehler ausradieren“ (Völkischer Beobachter).

Zu Friedensverhandlungen traf sich die Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK), eine wilde Mischung aus Revanchisten, Pazifisten und Kriegstreibern. Der Ort des Treffens, ein fahrendes Klassenzimmer bei Versailles, ist von symbolischer Bedeutung – hier wurde am Ende eines tintetriefenden Ringens im August 1998 die erste Rechtschreibreform seit 100 Jahren besiegelt, das „Schanddiktat von Versailles“ (173,5 Fehler; Note 6; G. Grass, OStR).

In diesem war der Keim zu einem Rechtschreibkrieg angelegt, wie ihn die Welt noch nicht erlebt hatte. Die Unzufriedenheit so verschiedener Bevölkerungsgruppen wie Lehrer und Intellektueller erleichterte Demagogen die Hetze mit der „Dudenstoßlegende“. „Der Studiendirektor und der Turnlehrer“ übernahmen die Macht und verfolgten das scharfe ß mit ss und Waffen-ss. Es folgte die Aufrüstung mit Tintenkillern und der Überfall auf Bertelsmann.

Der Rechtschreibkrieg verursachte großes Leid: Unschuldige Wortverbindungen wurden auf engstem Raum zusammengepfercht, es hagelte Kommas; „gewaltsame Eingriffe in die Sprache“ (FAZ) waren an der Tagesordnung. Am Vorabend der Kapitulation vor Pisa beging der Turnlehrer Selbstmord, die Reformer waren am Ende – kein Buchstabe stand mehr auf dem anderen.

Notgedrungen beugte sich die KMK schließlich den Empfehlungen des alliierten Kontrollrats für deutsche Rechtschreibung – von echter Einsicht keine Spur. So bleibt ein dauerhafter Rechtschreibfrieden freilich Wunschmusik. ULI HANNEMANN