die taz vor elf Jahren über die Diskussion zur Wiedereinführung der Todesstrafe in New York
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Eigentlich schien es ausgeschlossen, weil unvorstellbar: Die Todesstrafe ist nicht durchsetzbar in jenem Bundesstaat, in dem Woody Allen jede Woche Klarinette spielt und seine Filme dreht. Nun hat sich New York also in den populistischen Mainstream begeben, wonach der Bürger dem Staat in erster Linie zwei Rollen zuteilt: die Steuerlast abzubauen und Kriminelle von der Straße zu holen (temporär oder final). Beide Ziele gleichzeitig zu verfolgen kann zu fiskalischen Problemen führen: mehr Polizisten, mehr Richter, mehr Gefängnisse – all das kostet Geld.

New Yorks neuer Gouverneur Pataki, der sich die Wiedereinführung der Todesstrafe zur – wenn man so will – Lebensaufgabe gemacht hat, liebt deshalb ganz besonders das Argument der Kostenersparnis, wenn er nach dem Henker ruft. Einen verurteilten Mörder zu exekutieren, sagt Pataki, ist nicht nur ein „Akt der Gerechtigkeit“, sondern auch haushaltspolitisch vernünftig, weil billiger als eine Gefängnisstrafe. Wer die aktuelle Debatte über die Todesstrafe in den USA verfolgt, den wundern selbst solche Perfidien nicht mehr. Doch Patakis Argument ist deshalb so beliebt und so gefährlich, weil es in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, dem Urteil folge unmittelbar die Vollstreckung.

In Wahrheit ist die Todesstrafe nicht nur ein ethisches Armutszeugnis, sondern aufgrund des langwierigen Berufungs- und Revisionsverfahrens ein ungemein teures Instrument der Rache. In der herrschenden Law-and-order-Euphorie machen sich die Befürworter der Todesstrafe selbst diesen Umstand zunutze. Ist die Todesstrafe zu teuer, macht man sie halt billiger – auf Kosten der Rechte der Angeklagten und unter bewußter Inkaufnahme des Risikos, Unschuldige zu exekutieren. Dem Ruf nach der Todesstrafe ist längst Genüge getan. Jetzt heißt die Parole: „Macht mit ihnen kurzen Prozeß.“ Andrea Böhm, 9. 3. 1995