Knaststadt wider Willen

Die Knackis aus der überfüllten Düsseldorfer JVA Ulmer Höh‘ sollen umziehen – ins benachbarte Ratingen. Doch die Stadt wehrt sich gegen die Pläne des Landes: „Wir fordern Entschädigung“

Von SIMON LENARTZ

Gegen alle Widerstände will das Land in Ratingen das viertgrößte Gefängnis NRWs bauen. Der Knast soll Platz für 845 Häftlinge bieten und die marode Düsseldorfer Justizvollzugsanstalt (JVA) Ulmer Höh‘ sowie zwei Zweigstellen der JVA Duisburg-Hamborn in Duisburg und Oberhausen ersetzen, die allesamt abgerissen werden sollen. Das Land wollte ursprünglich mit Hilfe privater Firmen, einer „Public Private Partnership“ (PPP), das Gefängnis bauen und betreiben. Jetzt will das Justizministerium die Strafanstalt doch in eigener Regie bauen – notfalls auch gegen den Widerstand der Stadt Ratingen.

Denn Ratingen wehrt sich mit Händen und Füßen gegen den geplanten Neubau des Landes. „Die Justizvollzugsanstalt passt nicht zum Image der Stadt“, erklärte Ratingens Pressereferentin Ulrike Elschenbroich. Ein Argument, dass jede andere Gemeinde so wohl auch unterschreiben würde.

Zwei Mal hatte Ratingens Bürgermeister, Harald Birkenkamp, mit Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter und Düsseldorfs Bürgermeister Joachim Erwin (alle CDU) über den Umzug verhandelt. Birkenkamp hatte „Entschädigungszahlungen“ gefordert – 6,5 Millionen vom Land, und 35,7 Millionen von der Stadt Düsseldorf. Die Landeshauptstadt sei die Knastbrüder los und gewinne wertvolle Wohnbaufläche, begründete er. Ratingen hingegen bekomme 845 Straftäter hinzu und verliere ein zukünftiges Gewerbegebiet, so die Argumentation Birkenkamps. Ratingens Stadtoberhaupt hatte gedroht, ohne Entschädigung den Bau der JVA zu stoppen. Bei einem privaten Neubau muss die Stadt zustimmen.

Als „absurd“, „unrealistisch“ und „völlig überzogen“ bezeichnete das Land Birkenkamps Forderungen. Am vergangen Dienstag war es dann Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter, die drohte, das Land werde die JVA selbst bauen und betreiben – damit wäre das PPP-Projekt gestorben. Denn wenn das Land baut, kann die Kommune nicht so einfach ein Veto einlegen, der Neubau wäre kaum noch aufzuhalten.

„Wir sind überrascht über die Vorgehensweise des Justizministeriums“, sagte Ratingens Sprecherin Elschenbroich. Bis vor kurzem habe sich Bürgermeister Birkenkamp noch in guten Verhandlungen gewähnt, „jetzt wird über unseren Kopf hinweg entschieden“. Auf keinen Fall will Ratingen aber den schwarzen Peter, sprich den Knast, behalten. „Wir haben Möglichkeiten, dazwischen zu grätschen“, sagte Elschenbroich. Wie genau man den Bau verhindern will, wollte sie aber nicht sagen.

„Diese Drohung hält uns nicht davon ab, einen Ersatz für die Ulmer Höh‘ zu bauen“, kontert Ulrich Hermanski, Pressesprecher des Justizministerium. Man sei in einer Zwickmühle, so Hermanski. „Wir dachten schließlich, das geht alles reibungslos über die Bühne.“ Geht es nicht. Und weil Justizministerin Müller-Piepenkötter sagte, „es ist mein Ziel, 2007 mit den Bauarbeiten zu beginnen“, wird aus dem PPP-Projekt, das innerhalb von 25 Jahren 50 Millionen Euro einsparen sollte, wohl nichts. Mittlerweile verhandelt das Justizministerium auch mit einer anderen Stadt „direkt in der Nähe Düsseldorfs“ über den Gefängnisbau. Wer die Glücklichen sind, will das Ministerium aber nicht sagen. Es befürchtet, dass könnte zu ähnlich chaotischen Umständen führen wie zur Zeit in Ratingen.

Miteinander reden wollen beide Seiten auch noch einmal. „Wir sind gesprächsbereit“, tönt es aus dem Justizministerium, das Ministerium solle „den ersten Schritt machen“, schallt es aus Ratingen zurück. Manfred Evers, der Vertreter der Linken im Ratinger Stadtrat meint, dass Ratingen gut beraten sei, sich nicht weiter zu sträuben. Er war bisher immer gegen die Justizvollzugsanstalt, weil diese privat finanziert werden sollte. Jetzt, ohne private Betreiber, ist er für den Knast. Ein Verdienst, ausgerechnet des politischen Gegners Birkenkamp. „Wir können doch nicht argumentieren, wir brauchen neue und sichere Gefängnisse, und dann sagen: aber bitteschön nicht bei uns.“