In alle Ewigkeit

Nicht gegendarstellungsfähig: Jony Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Del Ponte muss weg

Nach Presseberichten fällt der Lautsprecherin im Staatsanwaltschaftsgewande am UNO-Kriegsverbrechertribunal für das frühere Jugoslawien in Den Haag, Carla del Ponte, angesichts des Todes von Milošević nur ein, zu bedauern, dass ihr sicher erwarteter „Sieg“ über ihn nun ausbleibt. Sie bedauert seinen Tod, weil der Prozess gegen ihn nun nicht zu Ende geführt kann. Sie sei sich sicher, dass Milošević ob der erdrückenden Beweislast verurteilt worden wäre.

Die Frau trägt die Verantwortung für die Anklagen und Beweismittelvorlagen in den Haager Kriegsverbrecherprozessen. Sie ist dabei nicht zur Objektivität verpflichtet. Sie entscheidet nach Gutdünken, ob und welche Beweismittel sie vorlegt und wie sie was anklagt.

Ihre Amtsführung hat einem deutschen Richter des Tribunals Anfang 2005 Anlass zu Kritik gegeben. Ihre Anklageschriften seien meist vage. Es dränge sich der Eindruck auf, dass zunächst ein Haftbefehl beantragt wird – und erst dann die eigentlichen Ermittlungen beginnen. Die Richter erhielten nicht die vollständigen Informationen. Die Staatsanwaltschaft lege nicht sämtliche Beweismittel vor. Sie treffe für die Richter nicht nachvollziehbare Abmachungen mit Angeklagten über Strafmilderungen.

Von Milošević war bekannt, dass er seit langem krank war und dass die von ihm gewünschten Heilbehandlungen nicht zugestanden wurden. Nun ist er tot. Nach allem, was wir wissen, ist er nicht durch eigene Hand gestorben. Angesichts des Todes fällt der „Anklägerin“ nicht etwa Bedauern um das verlorene Menschenleben ein; christlich oder ethisch begründeter Respekt vor dem Höheren, das sich Menschenwerk entzieht, sondern das Bedauern, ihr eigenes – nicht unanfechtbares – Werk nicht vollenden zu können, nämlich die von ihr erwartete Verurteilung durch Menschen.

Die Menschenwürde, der auch der Den Haager Gerichtshof verpflichtet ist, verbietet, einen Menschen bis in den Tod zu verfolgen. Tritt der Tod ein und konnte er nicht verhindert werden, ist Respekt vor dem Verstorbenen zu verlangen und selbstzweifelnde Prüfung derjenigen, die diesen Tod nicht verhindert haben, nicht nachtretende Rechthaberei. Del Ponte kann nicht neben sich treten, sie kann nicht einmal angesichts des Todes ihre Frustration öffentlich bändigen. Dabei hat sie gegenüber dem Verstorbenen jedes „Recht“ verloren. Denn es gilt, was der – wie del Ponte aus der der Schweiz stammende – Ersatzrichter am Gerichtshof, Stefan Trechsel, jetzt gesagt hat: Milošević’ Tod vor dem Prozess-Ende bedeutet, dass er unschuldig gestorben ist. Vom rechtlichen Standpunkt her gelte für Milošević nun „in alle Ewigkeit die Unschuldsvermutung“.

Unser Autor arbeitet als Rechtsanwalt und Strafverteidiger in Berlin