DAUMENKINO
: Lone Ranger

„Lone Ranger“ bleibt zu sehr kommerzielles Unterhaltungsprodukt, als dass sich die ungezügelte Begeisterung eines Jahrmarktbesuchs einstellte

Nicht nur die Comanchen müssen sich in „The Lone Ranger“ über den seltsamen Stammesbruder wundern, der von Johnny Depp gespielt wird. Mit Blackmetal-Bemalung und einer Krähe als Kopfschmuck steht er vor ihnen. Der Filmemacher Neil Diamond hat vor einigen Jahren mit „Real Injun“ eine sehr unterhaltsame Dokumentation über die Besetzung von amerikanischen Natives mit weißen Schauspielern im Hollywoodkino vorgelegt. Diamonds Grundthese – wenn es um Starpower geht, spielen Ethik und Respekt eine untergeordnete Rolle – findet auch in Gore Verbinskis neuestem Popcornmovie „Lone Ranger“ Anschauungsmaterial.

Im Hollywoodkino existieren heute zwei „Starsysteme“ nebeneinander: der Schauspieler und der Spezialeffekt, die Action. Wie abhängig die US-amerikanische Filmindustrie inzwischen vom Erfolg der Megaproduktionen ist, lässt sich schon am hysterischen Aufwand erkennen, mit dem diese (auch gemessen an ihren Budgets) Schlachtschiffe ins Bewusstsein des Kinogängers gehievt werden. Der Regisseur Verbinski und der Produzent Jerry Bruckheimer stehen maßgeblich für diese Entwicklung der letzten Jahre. Immerhin konnten sie mit „Lone Ranger“, der auf einer Westernserie aus den 30er Jahren basiert, auf ein Konzept zurückgreifen, das die beiden Starsysteme nicht erst kurzschließen muss, sondern dank ihrer „Fluch der Karibik“-Filme bereits über ausreichend Synergien verfügt. Nun ist der Western im Ansehen des Kinoproblikums genauso ein Anachronismus wie der Piratenfilm, man muss seinen Machern also eine gesunde Hybris attestieren, die Erfolgsformel der „Karibik“-Filme bruchlos auf ein anderes historisches Genre anzuwenden.

Hybris ist dann auch das offensichtlichste Problem von „Lone Ranger“. Auf allen Reizebenen (bis hin zur Rahmenhandlung) appelliert der Film an die kindliche Freude eines Jahrmarktbesuchs, aber ästhetisch wie dramaturgisch bleibt er immer als kommerzielles Unterhaltungsprodukt kenntlich, das einfach nicht über den nötigen Charme verfügt, um kindliche Freude in ungezügelte Begeisterung umschlagen zu lassen. Das mag auch daran liegen, dass sich Johnny Depps Persona, die inzwischen nur noch aus einem mimischen Repertoire an Tics und kryptischen Verhaltensauffälligkeiten zu bestehen scheint, abzunutzen beginnt. Man kann an „Lone Ranger“ also die Erschöpfung sowohl des Konzepts „Blockbuster“ (Verbinskis Film floppte an den US-Kinokassen epochal) als auch eines Filmstars in einer künstlerischen Krise ablesen. ANDREAS BUSCHE

■ „Lone Ranger“. Regie: Gore Verbinski. Mit Johnny Depp, Helena Bonham Carter u. a. USA 2013, 149 Min.