die taz vor 15 jahren über den Streit um die deutschen schriftsteller aus ost und west
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Zum Berliner Landesverband des Schriftstellerverbandes in der IG Medien (VS) gehören inzwischen 18 der 23 Schriftsteller, die der Bundesvorstand des VS am liebsten abgewiesen hätte und die der Landesverband dann doch aufnahm: Leute wie Hermann Kant, Günter Görlich und Dieter Noll, die einst – 1979 – eine prominente Rolle beim Ausschluß anderer Schriftsteller aus dem entsprechenden Verband in der DDR spielten. Für Kurt Bartsch, Rolf Schneider, Klaus Schlesinger und andere kam diese Entscheidung damals einem Berufsverbot gleich.

Im Landesverband Berlin sitzen inzwischen 250 Ex-Ostberliner Mitglieder 180 Ex-Westberliner Mitgliedern gegenüber. Und die sollen – sicher unter ungraden Frontverläufen – einen Vorstand wählen und ihre Vergangenheit diskutieren. Auch die Blitzaufnahme der 18 wird zur Debatte stehen.

Erinnern wir uns. Der West-VS hat ja auch keine so ruhmreiche Vergangenheit. Er litt unter den gleichen Symptomen wie der Ost-Verband: allzuviel Rücksichtnahme auf die Machthaber des Realen Sozialismus. Erich Loest zum Beispiel beklagte sich 1986, daß sein Einsatz für Kollegen aus der Ex-DDR von DKP-nahen Kollegen aus dem West-VS torpediert wurde.

Vor diesem Hintergrund ist die Politik der Verbandsfunktionäre selbstzerstörerisch. Wer soll den VS denn noch ernst nehmen? Nicht öffentlich verschickte der Bundesvorstand seinen Formbrief an die 23 und forderte sie auf, nicht in den VS einzutreten, nicht öffentlich traten 18 der 23 dennoch in den Landesverband ein. Allenfalls halböffentlich soll er tagen. In seiner Einladung an die Mitglieder schreiben die Berliner Funktionäre: „Mit der Mitgliederversammlung vom 16. 3. wollen wir einen einheitlichen Landesverband Berlin gründen … Denn Berlin ist der einzige Ort in Deutschland, an dem es zu einer unmittelbaren Verschmelzung zwischen Autoren aus beiden ehemals getrennten Teilen kommt.“   Thierry  Chervel, taz vom 15. 3. 1991