Grün-Gelb-Schwarz made in Bremen

OFFBEAT Bremen hat sich zu einem angesagten Spot für Reggae entwickelt. Mit „13 Stabs to Heaven“ veröffentlichte Samote just sein erstes Album, auf dem „Reggae Nights meets Subzarap“ wird heute draußen gefeiert

In Samotes Musik wechseln sich reggaelastige Basslines mit Akustik-Gitarren-Stücken ab, die in Beinahe-Dubstep mutieren oder durch ein Cello intensiv und zeitlos wirken

VON BENJAMIN EICHLER

Das Bremen nicht in der Karibik liegt, ist jedem klar. Dass jamaikanische Musik und Bremen trotzdem zusammenpassen, weiß allerdings noch nicht jeder. In den vergangenen Jahren entwickelte sich hier eine gut vernetzte und äußert aktive Reggae-Szene, die jamaikanische Musik zelebriert, ohne sie zu sehr zu imitieren und sich dadurch eine eigene Identität bewahrt hat.

Zweihundert Leute, die Bässe sind schon vom Parkplatz aus zu spüren. Zu den Reggae Nights strömen seit mehr als 15 Jahren Musikliebhaber aus der Region. Regelmäßige Besucherzahlen, von denen andere Veranstalter nur träumen können. Anfangs einmal im Monat im Ostkurvensaal des Weserstadions vom Soundsystem Roots Ashanti veranstaltet, wechselte man im vergangen Jahr die Location in den Magazinkeller. Musikalisch gibt man sich dabei betont vielseitig. Gespielt wird nicht klassischer Reggae à la Peter Tosh oder Bob Marley, sondern Dancehall – also schnelle, rhythmusbetonte und zeitgenössische Musik aus Jamaika. „Es gibt nur eine überschaubare Zahl an ‚Heads‘, die jeden Song feiern, stattdessen mögen viele Besucher unserer Party Klassiker, die einen hohen Wiedererkennungswert haben“, sagt Hinnerk von Roots Ashanti. Ihre Aufgabe als Soundsystem sei es deshalb, einen perfekten Mix aus bekannten Hits und unbekannten Perlen zu spielen. Damit diese auch satt klingen, arbeitet man mit den Tontechnikern von Studio Storm zusammen. Die gelten als Pioniere der Bremer Szene und bauten bereits 1993 die erste Soundanlage nach ihren Wünschen zusammen.

Der große Ansturm auf die Szene folgte dann in der gesamten Republik, gefördert durch den Erfolg von Künstlern wie Gentleman und Seeed, Mitte der 2000er-Jahre. So schnell die Flut gekommen war, so schnell folgte ihr die Ebbe. Sie hinterließ allerdings die Erkenntnis, dass auch deutschsprachige Songs massentauglich sind und beim Publikum ankommen können. Auch wenn heimischer Reggae in den letzten Jahre deutschlandweit populär geworden ist, gelten Stuttgart, Wuppertal und Berlin als die wichtigsten Punkte in der Szene. Und obwohl aus ihr Künstler wie Flo Mega oder Flowing Immo kommen, wurde die Bremer Szene dagegen lange Zeit kaum beachtet.

Wie viel Potenzial in der Stadt steckt, zeigt die Band Coffee Full Flavoured. Nicht ein Musiker, sondern ganze 10 MusikerInnen entern gleich die Bühne und harmonieren dort perfekt miteinander. Die aromatische Mischung aus rockigem Dancehall und Roots Reggae macht vor allem live so richtig wach und ist in Bremen längst mehr als nur ein Geheimtipp.

Bereits in ihrem Gründungsjahr gab die Band Ende 2010 im Schlachthof ihr erstes großes Konzert zusammen mit den Mad Monks. Neben weiteren Auftritten in der Hansestadt folgte im vergangenen Jahr eine ereignisreiche Festival-Saison. Coffee spielten unter anderem beim Reggae-Jam in Bersenbrück – eine Art „Ritterschlag“. Anfang vergangenen Jahres traten sie im Vorprogramm von Mono & Nikitaman auf, spielten einen gefeierten Auftritt auf der Breminale, und im Herbst folgte das erste Studioalbum der Band.

Der neuste Wurf aus der Szene stammt von Sänger Samote. Das „13 Stabs to Heaven“ betitelte Album entstand in einer dreijährigen Schaffensphase und versteht sich als eine Art Selbstheilungsprozess, um durch die Musik einen persönlichen Schicksalsschlag zu verarbeiten.

Als „Sound, in dem sich Leute, die vielleicht Ähnliches durchlebt haben, wiederfinden können“, beschreibt Samote sein Album, das in kein Genremuster passt. In Samotes Musik wechseln sich reggaelastige Basslines mit Akustik-Gitarren-Stücken ab, die in Beinahe-Dubstep mutieren oder durch ein plötzlich einsetzendes Cello wie in „Everything“ intensiv und zeitlos wirken.

Doch das Album sprengt nicht nur Grenzen und ist damit ein Stück Musik, das an Vielseitigkeit seinesgleichen sucht – vor allem ist es sehr persönlich und beinahe intim. Die Musik überlagert nicht, sie untermalt die Texte, ist ein musikalisches Fotoalbum des Prozesses der Heilung. So endet der finale Song des Albums mit dem Satz: „Let the sunshine in your soul.“

Wohin sein eigener Weg gehen soll, ist noch unsicher. Samote, bürgerlich Thomas Rambowski, macht sich keine Gedanken über Vermarktung und Erfolg seiner Musik und hat diese Gedanken bei der Produktion seiner CD auch außen vor gelassen. „Ich plane nichts, sondern nehme mit, was auf mich zukommt.“ Vor Kurzem drehte er ein Video zur ersten Single, ein kleines Konzert im Grünen Zweig zur Veröffentlichung folgte. Jetzt soll es erst einmal in die Ferne gehen, von Deutschland nach Frankreich nämlich. Während der Reise möchte Samote nicht nur, wie in seiner Musik, Grenzen überqueren, sondern auch viel live spielen, um seine Musik möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen.

Wie es scheint, arbeitet man in der Reggae-Szene ohnehin gern über Grenzen hinweg. So haben unter anderem Nola Monti, Samira Mack und Sören „Irey“ Heidrich, allesamt Mitglieder von Coffee, bei der Produktion von „13 Stabs to Heaven“ ihre Finger mit im Spiel gehabt. Dass viele so denken, zeigt auch der Erfolg des „Subzarap“-Open-Air im vergangenen Jahr, auf dem sich Reggae mit elektronischer Musik auf einem Festival vermischte. Auch dieses Jahr dürften sich dort wieder viele Menschen, die gern Genregrenzen sprengen, zusammenfinden. Diesen Samstag findet das kleine Ein-Tages-Festival zum zweiten Mal umsonst und draußen in Strom statt. Mit dabei sind unter anderen Coffee und Roots Ashanti. „Es passiert was in Bremen, da wächst was“, sagt Samote mit Überzeugung.

heute (Samstag), ab 14 Uhr, Stromer Landstraße 24