Brat mir den Osterhasen!

MEISTER LAMPE Ein Hase soll zubereitet werden, und wegen Ostern bitte mit Schokosauce. Über Skrupel beim Kochen und das Aroma von Hasenbraten

Die Zutaten: Für 4 bis 6 Portionen: 1 Wildhase (ca. 2 kg), 150 g Sellerieknolle, 4 mittelgroße Karotten, 8 größere, gepellte Schalotten, 1 unbehandelte Zitrone, 6 frische Rosmarinzweige, 10 frische Thymianzweige, 10 Wacholderbeeren, 0,6 l Weißwein, 200 ml Weißweinessig, Olivenöl, 1 mittlere Fenchelknolle, 1 l Wildfond, 30 g Coppa oder Schinkenspeck, 30 g Pinienkerne, 30 g Rosinen, 30 g dunkle Schokolade (80 Prozent Kakaoanteil), 1 frische Ingwerknolle, Salz, Chilipulver.

Die Vorbereitung: Am Vortag den Hasen kalt abbrausen. Mit einem spitzen, sehr scharfen Messer die Sehnen und Häute entfernen. Das dauert. Nochmals kalt waschen und trocken tupfen. Für die Marinade 2 Karotten und 3 Schalotten schälen und den Sellerie grob würfeln. Wacholderbeeren zerstoßen und zusammen mit dem gewürfelten Gemüse, der Schale einer Zitrone, 2 Rosmarin- und 5 Thymianzweigen, 2 El Olivenöl, dem Weißwein und Essig mischen. Den Hasen in einen passenden Gefrierbeutel stecken und die Marinade so einfüllen, dass das Fleisch rundum von Flüssigkeit umgeben ist. Beutel zubinden, kalt stellen und über Nacht liegen lassen.

Die Zubereitung: Am folgenden Tag den Fenchel waschen, Grün abschneiden, hacken und aufbewahren. Fenchelknolle halbieren, Strünke herausschneiden. Fenchel achteln. Restliche Karotten und Schalotten schälen und grob würfeln. Den Hasen aus dem Marinadenbeutel herausnehmen, Marinadengemüse abtropfen und aufbewahren. Hasen trockentupfen und rundum salzen. In einem größeren Bräter 2 EL Olivenöl nicht zu stark erhitzen und den Hasen von beiden Seiten langsam anbraten. Das frische Gemüse, die restlichen Kräuter und das Marinadengemüse mitbraten. In den vorgeheizten Backofen stellen, die Hälfte des Wildfonds angießen und mit Deckel bei 180 Grad etwa eine Stunde von beiden Seiten schmoren. Coppa in Streifen schneiden und damit den Hasen belegen, eine weitere Stunde schmoren lassen. Nach Bedarf etwas Wildfond nachgießen.

Die Sauce: Schokolade grob raspeln. Ingwer schälen und reiben. Pinienkerne ohne Fett goldgelb rösten. Den Hasen aus dem Bräter heben und warm stellen. Den Bratenfond durch ein Sieb gießen, das Schmorgemüse aufheben und warm stellen. Den Bratensaft in einem Topf mit Pinienkernen und Rosinen erhitzen. Schokoraspel mit Schneebesen nach und nach unterrühren. Mit Salz und etwas Chili abschmecken.

Der Verzehr: Zum Anrichten Fleisch von den Knochen lösen, tranchieren und mit dem Schmorgemüse anrichten. Schokoladensauce über das Fleisch gießen. Dazu passen breite Bandnudeln oder Salzkartoffeln.

VON TILL EHRLICH
(TEXT) UND SANTIAGO ENGELHARDT (FOTOS)

Die Redakteurin war sehr freundlich am Telefon. Ob ich nicht den Osterhasen mit Schokoladensauce kochen und darüber für die sonntaz schreiben könnte? Einen Schokohasen?, fragte ich. „Nein, einen echten Hasen.“ Rücken oder Keule?, wollte ich wissen. „Einen ganzen Hasen.“ Wirklich? „Ja, kein Stückwerk bitte. Das Rezept haben wir dir schon gemailt.“ Es war eines dieser Rezepte aus dem Internet, die in der Praxis nicht funktionieren.

Nachdem ich zugesagt hatte, griff ich zum „Bocuse“, einem französischen Standardkochbuch von 1977. Auf Seite 278 las ich: „Man kann den Hasen noch warm, also sofort nachdem er geschossen wurde, zubereiten. Ist er aber einmal abgekühlt, so sollte er zwei oder drei Tage in seinem Balg hängen. Das Blut ist kostbar und sollte mit großer Sorgfalt aufgefangen und mit Cognac vermischt werden, damit es nicht gerinnt.“

Das reicht, dachte ich. Ich, ein Hasenmörder – nein danke. Ich hatte noch nie einen Wildhasen im Ganzen zubereitet und es auch nicht vorgehabt, wollte alles abblasen. Vielleicht könnte ich für die sonntaz Auberginen mit Tomaten schmoren, beruhigte ich mich. Doch es war zu spät, ich hatte zugesagt.

In ganz Berlin gab es keinen unzerstückelten Hasen, nur tiefgefrorene Keulen, Läufe, Rücken oder Hasenfilets aus neuseeländischen Farmen. Tja, da ist leider nichts zu machen, liebe taz, dachte ich erleichtert. Am Schluss rief ich noch bei einer kleinen Wildfleischerei an. Es war schon Abend, mein neunter und letzter Anruf, ich wollte die ganze Sache loswerden. Doch die Frau am anderen Ende sagte: „Ich schau gleich mal in die Gefriertruhe, bleiben Sie dran.“ Es raschelte. „Einen Vierpfünder haben wir noch.“ Aus Neuseeland? „Nein, aus Schleswig-Holstein, hat unser Jäger selbst geschossen.“ Ich dachte an die Rote Liste der gefährdeten Arten, auf der auch Lepus europaeus, der Feldhase, steht, und sagte: „Hasenjagd ist doch bei uns verboten.“ Die Frau kicherte. „Nicht mehr“, sagte sie fröhlich, „beeilen Sie sich, wenn Sie das gute Stück haben wollen, ich schließe gleich den Laden.“

Ich fuhr sofort los, draußen war es bereits dunkel. Als ich das Geschäft betrat, war der Laden schon gewischt, die Messer blitzten sauber auf einem Stahltisch, und die Fleischerin schloss hinter mir ab. Sie war sehr freundlich und bemerkte, es komme heutzutage nicht oft vor, dass jemand ein ganzes Hasentier kaufe. Ein Jammer sei das, eine vergessene Delikatesse, meinte sie und schob mir einen gefrorenen Klumpen im Gefrierbeutel zu.

Am nächsten Morgen war der Hasenklumpen aufgetaut, und als ich ihn genauer betrachtete, erschrak ich. Unter dem geschmolzenen Eis war ein kopfloses Tier mit vier Beinen zum Vorschein gekommen. Das Fell, der Balg, war abgezogen, der Hase gänzlich ausgenommen. Er hatte so gut wie kein Fett und war rundum mit bläulichen Sehnen bedeckt.

Ich begann die Sehnen zu entfernen. Eigentlich braucht man dazu ein Skalpell, weil die Sehnen ganz dünn abgezogen werden sollen, damit das dunkelrote, leicht bräunliche Fleisch einigermaßen unverletzt bleibt. Es ist eine mühevolle und langwierige Herumschnippelei, während deren Fragen in mir hochkamen, Skrupel. Und ein leichter Ekel.

Ich bin es gewöhnt, mit ausgelöstem Fleisch in kleinen Stücken zu kochen. Aber das hier war etwas anderes: ein ganzes Tier. Es erinnerte mich an Frau Helene, unsere gescheckte Katze, die seit Dezember verschwunden ist. Der Hase hatte eine ähnliche Größe und Form, nur dass er kalt und nackt war, weil ihm das weiche Fell abgezogen worden war. Sein Geruch, der „Hautgout“, war süßlich, durchdringend, erinnerte mich an Leinöl.

Er braucht die Marinade

Er hatte so gut wie kein Fett und war rundum mit bläulichen Sehnen bedeckt

Der angebliche Wildgeschmack entsteht durch Überreife, und dieser Hase war eindeutig bereits in dieses Stadium übergegangen. Deswegen brauchte es eine intensive saure Marinade, ähnlich wie beim Sauerbraten. Essig, Weißwein, Wacholder, Gemüse und Olivenöl machten den Hasen nicht nur mürbe, sondern entschärften auch seinen Hautgout.

Wild war früher die höchste Delikatesse und der aristokratischen Oberschicht vorbehalten, Hofküchen bereiteten überwiegend Wild zu. Gejagt wurde oft ohne Rücksicht auf Schonzeiten, manchmal sollen mehrere hundert Tiere an einem Tag erlegt worden sein. Alte Rezepte erzählen indirekt davon. In einem deutschen Kochbuch aus den 1960er-Jahren steht, dass Hasenpfeffer, ein Ragout, das typischste und feinste deutsche Festessen sei. Daneben sind Fotos von einer Hasenjagd mit Fackeln abgebildet – gespenstisch. Auch das Bocuse-Kochbuch ist aufschlussreich und befremdlich zugleich. Dort gilt Hase als eines der edelsten Bratengerichte. Eines heißt: „Hase auf königliche Art des Senators Couteaux.“ Diese Zeiten sind vorbei.

Am dritten Tag schritt ich zur Tat. Der Ofen war bereits vorgeheizt, die Küche dampfte, als der taz-Fotograf in meiner Küche erschien. „Na ja, da ist nicht gerade taz-affin“, meinte er, als er sah, wie ich das Fleisch aus der blutigen Beize heraushob. Doch dann briet ich den Hasen mit viel Kräutern und Gemüse an, schob ihn in den Ofen, beschöpfte ihn mit gutem Wein, und nach einer Stunde entwickelte er ein unglaublich intensives Aroma, das sich in der ganzen Wohnung ausbreitete. Der Hautgout hatte sich in einen köstlichen Duft verwandelt, der umso stärker wurde, je länger der Hasen im Rohr schmorte.

Am Ende hat es uns geschmeckt, das Beste waren die Keulen. Das lag auch an der Schokoladensauce, die nicht süß, sondern zartbitter, salzig und hintergründig scharf schmeckte. Mir wurde klar, dass es immer noch besser war, den Hasen im Ganzen als zerstückelt zuzubereiten. So wird man konfrontiert mit dem, was ist. Den Schrecken zu verstecken ist keine Alternative, es würde nur den sorglosen Fleischkonsum legitimieren. Dennoch, mein Fazit lautet: Hase – muss nicht sein.