Der russische Zeitungskäufer

Als Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes bekämpfte Lebedew einst die Kapitalflucht aus Russland

Das Wort „Oligarch“ mag er nicht. Aber er ist einer: Der russische Geschäftsmann und Politiker Alexander Lebedew hat seiner Unternehmenspalette am Donnerstag den britischen Independent und dessen Sonntagsausgabe hinzugefügt. Er kaufte die beiden Blätter für ein Pfund, handelte sich damit aber auch deren immensen Schuldenberg ein. Leisten kann er sich das allemal.

Lebedew wurde 1959 in Moskau als Sohn von Akademikern geboren. 1982 machte er am Moskauer Staatsinstitut für internationale Beziehungen seinen Abschluss im Fach Wirtschaft. Kurz danach bekam er eine Stelle in der Auslandsabteilung des Geheimdiensts KGB und dessen Nachfolgeorganisation FSB, die ihn nach London an die Botschaft entsandte. Zu seinen Aufgaben gehörte die Bekämpfung der Kapitalflucht aus Russland.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Geheimdienst gründete er ein Investment-Unternehmen. 1995 erwarb er die kleine National Reserve Bank, die er in kurzer Zeit zu einer der größten russischen Banken machte. Ihr gehören unter anderem 30 Prozent der Fluglinie Aeroflot, 44 Prozent der Iljuschin-Finanzgesellschaft, die sich im Flugzeugbau engagiert, sowie bedeutende Anteile an Gazprom. Das Magazin Forbes schätzt Lebedews persönliches Vermögen auf mehr als 3,5 Milliarden US-Dollar.

In der Politik war er nicht ganz so erfolgreich. 2003 kandidierte er vergeblich für das Moskauer Bürgermeisteramt, zog im gleichen Jahr aber als Kandidat der konservativen Partei Rodina in die Staatsduma. Angeblich will er mit dem letzten sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow eine unabhängige demokratische Partei gründen. Im Zeitungswesen ist Lebedew kein Neuling. In Russland gehören ihm gemeinsam mit Gorbatschow 49 Prozent der Kreml-kritischen Zeitung Nowaja Gazeta. Dort arbeitete die 2006 ermordete Journalistin Anna Politkowskaja. Und Anfang vorigen Jahres kaufte Lebedew 75 Prozent Anteile am Londoner Evening Standard für ein Pfund.

Was aber will er nun mit dem hochverschuldeten Independent? „Ich möchte in England helfen, eine demokratische Institution zu bewahren“, beteuert er. Die intensive Suche der Konkurrenz nach kompromittierendem Material ergab bei Lebedew nichts. RALF SOTSCHECK

Ausland SEITE 8