Tausende Verstöße gegen US-Gesetze

USA Entgegen bisherigen Behauptungen hat der US-Geheimdienst NSA doch in Tausenden Fällen US-Bürger ausspioniert – zum Teil durch Pannen. Die Aufsichtsgremien bekamen nur geschönte Berichte

Berichte an das Justizministerium wurden entschärft, um Kontrolle zu erschweren

WASHINGTON taz | Es überrascht nicht, doch jetzt ist es Schwarz auf Weiß: Der US-Geheimdienst NSA hat nach internen Prüfungen seit 2008 in Tausenden Fällen gegen den Datenschutz verstoßen und es in seinen Berichten an die Kontrollstellen heruntergespielt. Das berichtete die Washington Post am Freitag unter Berufung auf interne Prüfungen sowie zugespielte Dokumente des flüchtigen Whistleblowers Edward Snowden. Die neuen Details widerlegen die jüngste Behauptung von Präsident Barack Obama, dass sich die NSA an die Gesetze halte und ihre Kontrolle zuverlässig sei.

Nach den neuen Enthüllungen spionierte der Dienst an den Kontrollgremien vorbei vor allem US-Bürger und Inhaber von Greencards sowie andere Ziele im eigenen Land aus. Aber auch eine größere Menge internationaler Daten, die über Glasfaserkabel übertragen wurden, seien zur späteren Auswertung gespeichert worden. Das Geheimgericht, FISA-Court, das die NSA beaufsichtigt, habe diese Praktiken im Oktober 2011 für verfassungswidrig erklärt.

Nach einem internen Prüfungsbericht von Mai 2012 hat es allein in den zwölf Monaten davor 2.776 Vorfälle gegeben. Darunter allerdings auch etliche Pannen: So hätten die Lauscher Tausende Telefonate in Washington abgehört, obwohl sie sich eigentlich in Gespräche nach Ägypten einklinken wollten. Doch die Programmierer hätten die Vorwahl von Washington (202) mit der von Ägypten (20) verwechselt. Etwa jeder zehnte Vorfall gehe auf derartige Tippfehler zurück.

Die NSA verteidigte sich über einen anonymen ranghohen Beamten. „Wir sind ein von Menschen geführter Dienst, der in einer komplexen Umgebung mit diversen Regulierungssystemen agiert, daher finden wir uns manchmal auf der falschen Seite der Linie wieder“, erklärte er der Washington Post.

Erst vergangene Woche hatte US-Präsident Barack Obama erklärt, dass in allen Enthüllungen über die Praktiken des Geheimdienstes nicht erkennbar sei, dass die NSA gegen Gesetze verstoßen habe. Obama hatte auch betont, wie umfassend die Kontrolle sei.

Aus den neuen Enthüllungen geht nun hervor, dass NSA-Mitarbeiter regelrecht ermuntert wurden, ihre Berichte an das Justizministerium und den US-Geheimdienstdirektor zu entschärfen. Sie hätten auf Anweisung Details ausgelassen und dafür allgemeine Formulierungen verwendet. Die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Senat, Dianne Feinstein, erklärte mit Blick auf die Veröffentlichung: Der Ausschuss „könne und solle mehr tun“, um unabhängig zu prüfen, ob die NSA angemessen agiere und die Berichte korrekt seien. ANTJE PASSENHEIM