Harsche Kritik an der Psychiatrie

TV Gustl Mollath bei „Beckmann“: Eine Psychiaterin packt aus

MÜNCHEN taz | In der ARD-Sendung „Beckmann“ mit dem mutmaßlichen Justizopfer Gustl Mollath hat am Donnerstagabend eine Psychiaterin das Gutachtersystem in der deutschen Psychiatrie angegriffen. Hanna Ziegert, die neben Mollath und seinem Anwalt Gerhard Strate geladen war, erklärte im Plauderton: „Ich weiß nicht, ob ich mich wirklich begutachten ließe.“ „Jeder Gutachter hat einen Ruf, und nach diesem Ruf wird er von der Staatsanwaltschaft und den Richtern gewählt“, so Ziegert. „Je nachdem, welches Ergebnis ich erreichen will, wird der Gutachter danach ausgewählt.“ Auch seien viele Gutachter, die darüber hinaus keine Aufgaben hätten, finanziell von Aufträgen der Gerichte abhängig. „So ein Gutachter wird darauf achten, dass er nicht in Ungnade fällt“, so Ziegert.

Das sei jedem, der in der Branche arbeitet, bekannt. Offenbar auch Mollaths Verteidiger Gerhard Strate, der die Psychiaterin rügt, sie habe aber nun ganz ordentlich aus dem Nähkästchen geplaudert. Die ließ sich nicht beirren. „Die Öffentlichkeit weiß das nicht“, sagt sie. „Bisher hat sich aber auch nie jemand dafür interessiert.“ Für sie träfe das alles natürlich nicht zu, sagt sie noch. Denn die Gutachtertätigkeit mache nur ein Drittel ihres Verdienstes aus.

Mollath hatte zuvor seine Sicht seines Falles geschildert. Die Aussagen der Psychiaterin stützten ihn. Der 56-Jährige hatte sich immer wieder der persönlichen Begutachtung durch Klaus Leipziger, den Chefarzt der Forensischen Psychiatrie am Bezirkskrankenhaus Bayreuth entzogen. Seine Erklärung: „Es stand schon vorher fest, bevor er mich jemals gesehen hat, was er mir für eine Diagnose geben würde“, sagt Mollath. MARLENE HALSER