Viel Wumms in Köln: Eine Branche sucht neue Ideen

SPIELE Die Messe Gamescom hatte mit Bewährtem Erfolg, doch die Anbieter kämpfen um Kunden

Was gut an den Kinokassen läuft, verkauft sich auch gut an den Spielkonsolen

KÖLN taz | Kurz nach Öffnung der Gamescom gibt es immer das gleiche Ritual: Von drei Seiten schwemmt das Publikum in die Kölner Messehallen. Zuerst kommen die 17-Jährigen angelaufen. Sie wissen genau, in welcher Halle ihr Lieblingsspiel gezeigt wird, und möchten sich in den Schlangen ganz vorne einreihen, um Außerirdische zu bekämpfen und mit großen Waffen in Stücke zu schießen. Dann kommen die Fans, die sich neue Strategiespiele oder die Controller der nächsten Konsolengeneration ansehen wollen, eilig, doch gemessenen Schrittes. Stände wie der von „The Sims 4“ oder der neuen X-Box-Tanzspiele bleiben zunächst erstaunlich leer, erst im Laufe der Stunden können sie ihr Publikum finden.

Der Erfolg der Messe – alle Tickets waren im Vorfeld ausverkauft – zeigt: Die alten Rezepte funktionieren noch. Ganz vorne sind die 3D-Shooter, die mit immer neuen Details und rasanteren Spielverläufen aufwarten. Erfolgstitel werden immer neu aufgelegt: Die Fußballsimulation Fifa erscheint in ihrer 14. Folge, das Rennspiel Gran Tourismo in der sechsten, die beliebten Lego-Spiele widmen sich jetzt den Superhelden aus den Marvel-Comics statt denen aus „Star Wars“. Was gut an den Kinokassen läuft, verkauft sich auch gut an den Spielkonsolen.

Sie sind der Hoffnungsträger der Branche, die in Deutschland im ersten Halbjahr 2013 Umsatzverluste hinnehmen musste. Wurden im ersten Halbjahr 2012 nach Messung des Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) noch 35,3 Millionen Spiele für PC, Konsole und Mobilgeräte verkauft, waren es im ersten Halbjahr nur 34,4 Millionen, der Umsatz sank um 4 Prozent auf 596 Millionen Euro. Doch sowohl Sony als auch Microsoft bringen pünktlich zum Weihnachtsgeschäft die neusten Versionen ihrer Spielekonsolen auf den Markt und sollen so das Ruder herumreißen; der BIU rechnet mit einem Plus von 3,5 Prozent für das Gesamtjahr.

Gelockt werden sollen Kunden mit Spielen in höherer Auflösung und Geschwindigkeit. Dem Spielverlauf selbst werden neue Ebenen hinzugefügt. Statt vorgefertigter Spielabläufe werden den Käufern offene Welten präsentiert, die diese stundenlang erkunden können. Kleinere Entwicklungsstudios haben da das Nachsehen – sie haben nicht die Arbeitskräfte, um solch riesige Welten zu programmieren. Viele kleinere Studios spezialisieren sich inzwischen auf Spiele für Smartphones oder auf Online-Spiele. Ziel ist der „casual gamer“, der mal eben in eine Spielewelt abtauchen will, ohne 40 bis 60 Euro zu bezahlen, die ein aktuelles Spiel kostet. Doch selbst mit der besten Spielidee ist kein Blumentopf mehr zu gewinnen, wenn es das Spiel nicht schnell in die Top 10 der App Stores schafft – denn der „casual gamer“ sucht nicht lange nach neuen Spielen.

Gleichzeitig ist die Branche verzweifelt auf der Suche nach neuen Spielideen. Allerdings zeigt sich die Spieleindustrie inzwischen genau so risikoscheu wie die Filmbranche: Wo es um achtstellige Produktionskosten geht, soll der Erfolg garantiert sein.

So hat der französische Spielkonzern Ubisoft genau das richtige Gespür gezeigt, als er mit „Watch Dogs“ ein Spiel über die allgegenwärtige Überwachung vorgelegt hat, in dem der Held, mit seinem Smartphone bewaffnet, den Kampf gegen Überwachungskameras, Datenbanken und Verbrecherbanden antritt. Doch gleichzeitig bekommt die Spielfigur eine Waffe in die Hand gedrückt, mit der sie wie gewohnt viele Konflikte mit einem blutigen Gemetzel erledigt. Dafür kann der Spieler in 65 verschiedenen Wagentypen durch ein realistisch gestaltetes Chicago fahren – der Erfolgstitel „Grand Theft Auto“ lässt grüßen.

TORSTEN KLEINZ