Ein Denkmal der Idiotie

Nicht gegendarstellungsfähig: Jony Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Gebautes Elend in Kreuzberg

Wir Kreuzberger haben ein feines Denkmal menschlicher Unzulänglichkeit, zu dessen Besichtigung ich alle Berlinreisenden herzlich einlade. Der Stadtteil ist bekanntlich massiv verdichtet, Parkflächen sind rar. Grün gibt es nicht. Daher wurde das Görlitzer Bahnhofsgelände mitten in SO 36 umgenutzt. Seit den 80ern werkeln Planer, Beamte und Bezirkspolitiker „bürgernah“ daran rum. Mehr als 30 Millionen sollen sie schon versenkt haben. Zentrales Element ist eine Nachbildung der südwesttürkischen Sinterterrassen Pamukkale, die 1999 eröffnet – und auch wieder geschlossen wurde. Es sollte ein begehbares Wasserspiel auf Betonterrassen mit Bühne werden. Der wasserundurchlässige Beton ist mit einem portugiesischen Naturstein verblendet. Schnell stellte sich heraus, dass der Stein Kreuzberger Fröste nicht erträgt und zerbröselt.

Fiskalisch denkende Kommunalverantwortliche klagen seither gegen den gestaltenden Künstler und sonst wen. Wie üblich schieben Land- und Kammergericht die Sache vor sich und hin und her. Wenn dereinst der arme Künstler zum Schadensersatz verurteilt werden sollte (was nicht sicher ist), dann werden die famosen Kläger schnell feststellen, dass bei dem Manne nichts zu holen ist. Ein äußerst sinnvolles Unterfangen also, dieser Prozess. Für dessen Dauer aber lässt man das Ding so liegen, wie es liegt, als Mahnmal unzulänglicher Berliner Bau- und Verwaltungskunst.

Seit geschlagenen sieben Jahren verwehren nun schon Zäune den Zugang, das Bauwerk ist unzugänglich und gammelt vor sich hin, der Blendstein löst sich auf. Saniert wird nicht. Dabei ist die Sache, wenn man sie nicht aus der Position verantwortungsscheuer Sesselfurzer betrachtet, ganz einfach: Der Park muss genutzt werden können, daher gibt es ihn. Aufgabe der Verwaltung ist die Daseinsvorsorge – und nicht das Führen von Prozessen.

Ist der Steinbelag erst abgeschlagen, ist der Rest leicht nutzbar zu machen. Also ist es die Sache des Eigentümers (Berlin), die Kosten vorzuschießen. Hernach kann man die Bürger auf den Betonterrassen lustwandeln, spielen und sitzen lassen und im Innenrund sogar Theater und Konzerte veranstalten. Die Idioten, die die Blendung geplant und die Bauschäden verursacht haben, können wohl kaum Urheberrechte gegen eine solche Zwischennutzung einwenden.

Eine nutzbare Terrassenlandschaft aus Beton ist allemal besser als eine Bauruine mit bröselndem Blendwerk. Die Ausrede, im laufenden Verfahren dürfe der Zustand dieses Mahnmals menschlicher Fehlbarkeit nicht verändert werden, zieht nach sieben Jahren nicht mehr: Da müssen eben endlich und sofort und abschließend die Beweise gesichert werden. Und zwar notfalls durch Privatgutachter.

Eilen muss sich der Reisende, der das Elend noch sehen will, gleichwohl nicht. Denn wir sind in Berlin, und hier gilt: Wer nichts macht, macht auch keinen Fehler. Zum 10. Jahrestag der Bauzaunerrichtung gibt es dann ein großes Fest. Mit Ansprachen unserer Kreuzberger Bezirkspolitiker.

Unser Autor ist Rechtsanwalt und Strafverteidiger in Berlin