drei, zwei, eins, alles MEINS von REINHARD KRAUSE
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„Jetzt sieh dir das bitte mal an!“ Es war regelrecht zu hören, wie mein Freund die Augen verdrehte. „Hallo“, las er aus der E-Mail vor, die ihn so erboste. „Habe soeben online die Aposteln bezahlt. Über eine Quittung als medizinische Fachliteratur würde ich mich sehr freuen. Ihr Dr. Nikolaus von S.“

Ein köstlicher Spaß! Denn Dr. Nikolaus von S. hatte keineswegs bei meinem Freund über Ebay ein gebrauchtes Standardwerk der Medizingeschichte ersteigert, sondern zwei Kupferstiche, die Apostel Andreas und Paulus darstellend. Fachliteratur?

Immerhin, in der Artikelbeschreibung hatte mein Freund geschrieben: „Andreas ist der Patron der Fischer, Metzger, Seiler und Bergleute. Wird angerufen vor Heirat und bei Unfruchtbarkeit.“ Metzger und Unfruchtbarkeit, das ging ja zumindest sehr grob in Richtung Medizin. Der andere Apostel passte noch besser: „Paulus ist der Patron der Seelsorger, der Seiler und Sattler. Helfer bei Schwerhörigkeit, Ohrenkrankheiten, Krämpfen, gegen Schlangenbiss und Angst.“ Ob Dr. Nikolaus von S. Tropenmediziner war oder HNO-Arzt oder klinischer Psychologe? Quatsch! Dr. von S. war schlicht vom Stamme Nimm.

Ein ähnliches Kaliber war mir mal vor Jahren untergekommen, als ich in einem Schuhladen arbeitete: ein auffallend großer Mann in Begleitung einer auffallend kleinen Frau. Die Sonne schien, die Spatzen piepten, und auch der große Mann und die kleine Frau erfreuten sich bester Laune. Von Schuh zu Schuh wurden ihre Stimmen immer gurrender. Verheiratet waren die nicht. Jedenfalls nicht miteinander. Irgendwann hatten sie die Abteilung mit den Modetorheiten des Vorjahres erreicht, die der Chef mit der Bemerkung „Dat sin so Irritationen“ nun endlich der Verramschung zugeführt hatte. „Hoho, was haben wir denn hier?“, rief der Mann, und die Frau quiekte: „Die muss ich anprobieren, die sind ja komplett gaga.“ Das Modell hieß bei uns heimlich „Der Tod auf Stelzen“: ein hochhackiger Holzschuh (!), bei dem der Absatz aus einem Besenstil gearbeitet und im rechten Winkel unter dem Schuh angebracht war. Das war kein Schuh, das war eine ABM für die Unfallklinik.

Die Dinger kosteten nur noch 25 Mark, für das brünstige Getue der beiden ein sehr entgegenkommender Preis. Und tatsächlich sagte der Riese: „Du, die kauf ich dir!“ Dankbar bekam er einen Kuss. Nicht von mir natürlich, sondern von der kleinen Frau. Während Monsieur noch den Scheck ausstellte, gab er mir die Anweisung: „Ach, und auf die Quittung schreiben Sie bitte: ‚OP-Schuhe, weiß‘.“

Heiliger Hartmannbund! Geht es den Ärzten so schlecht? Schenken ihren Geliebten Sonderposten und verheimlichen der Dame nicht einmal, dass sie den Mumpitz von der Steuer absetzen! Ich an seiner Stelle wäre vor Scham in der Auslegeware versunken. Und an ihrer Stelle auch. Zähneknirschend schrieb ich: „OP-Schuhe“. Und bei dieser Niedrigkeit sollte ich auch noch mitspielen! „Weiß“. Da fiel es mir plötzlich ein! „Größe 36“. Höhö. Mit dieser Rechnung würde Herr Doktor nur Ärger kriegen.

Dr. von S. bekam selbstredend nicht die gewünschte Quittung. Die brauchte er auch gar nicht. Auf seine Überweisung schrieb er einfach: „Med. Fachliteratur“.