Verfickt und zugenäht

LINGUISTIK Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht spricht ohne Umschweife. Ja, warum denn eigentlich nicht!?

Fuck, fuck, fuck. Pisse. Kacke. Scheiße. Manchmal muss es halt raus. Wenn der Druck zu groß geworden ist, wird der besonnenste Mensch zum Raumverschmutzer. Koprolalie nennen das die Experten für Fäkalsprachliches. Nun leidet der Braunschweiger Trainer Torsten Lieberknecht gewiss nicht am Tourette-Syndrom oder an einem Tick, aber am Samstagnachmittag hat er nach dem 0:4 beim Hamburger SV mal so richtig die Sau rausgelassen. „Es gab immer wieder Momente, wo du merkst: Du bist dieser kleine Piss-Verein. Du bist dieser Piss-Verein, der auch bei den Schiedsrichtern nicht die Wahrnehmung hat. Und der erste abgefälschte Fuck-Ball geht rein“, hat er im Interview mit dem Norddeutschen Rundfunk gesagt. Torsten Lieberknecht hat damit wohl seinen Platz in der Fußballhistorie sicher. Er könnte sich einreihen neben Rudi Völler, Giovanni Trapattoni und Thomas Doll.

Man wird jetzt genau beobachten müssen, ob die Lieberknecht’schen Wortneuschöpfungen Eingang in die deutsche Fußballsprache finden. Piss-Vereine gibt es ja eigentlich überall, Klubs, die kleiner sind als die großen und sich übervorteilt fühlen in der harten Welt der Bundesliga. Angepisst waren in der letzten Saison zum Beispiel die Freiburger und an diesem Wochenende auch die Nürnberger. Es geht halt immer zu Lasten der Underdogs. Finden die. Und wenn dann noch die verdammten Fuck-Tore in die eigenen Maschen gehen, dann platzt einem schon mal der Kragen. Dabei wollte Lieberknecht einen kühlen Kopf bewahren, hat er vorm Spiel gesagt. Es kam anders, weil die Impulse, die sich während einer Partie im Innern eines Cheftrainers aufbauen, unberechenbare, turmhohe Wellen der Entrüstung auslösen können.

Lieberknecht wird die deftige Rede nicht schaden, im Gegenteil, der 40-Jährige ist bekannt für Geradeaussätze in brenzligen Situationen: „Wir müssen volle Lotte alles rausholen. Bis die Füße bluten, bis das Weiße im Auge zu sehen ist“, hat er gesagt und dann noch, dass er gegnerische Fans, die seine Spieler auspfeifen, am liebsten von der Tribüne holen würde. Nach dem Spiel ist freilich vieles anders. Der Pfälzer Lieberknecht, der einst mit Jürgen Klopp beim FSV Mainz 05 spielte, wird, nachdem das Adrenalin halbwegs aus dem Körper gewichen ist, wieder zu einem Menschen. „Wenn ich mich danach im TV sehe, erkenne ich mich manchmal selbst nicht“, behauptet er. Glauben wir ihm das? Eher nicht.

Aber wie auch immer: Es wäre verfickt schade, wenn dieser Rumpelstilz zu einem Diplomaten und feigen Worteabwäger mutieren würde. In diesem Sinne: Hauen Sie weiter auf die Kacke, Herr Lieberknecht, pissen Sie wen an! Fuck, fuck, fuck.

MARKUS VÖLKER