Der Sieger

TV-DUELL Klare Sprache, Distanz zur Macht. Stefan Raab hat gezeigt, dass Journalisten anders mit Politikern umgehen können

VON DAVID DENK

Die Irritation steht Angela Merkel ins Gesicht geschrieben. Mehr als ein schiefes Lächeln bringt die Kanzlerin als Reaktion auf Stefan Raabs Fragen und Zurechtweisungen nicht zustande: Was war denn das jetzt? Und das?? Ja, spinnt der Typ? Muss ich mir das gefallen … – ja, besser ist das. Augen zu, einen Mundwinkel hoch und durch!

Für Merkel und ihren Kontrahenten Peer Steinbrück dürften sich beim TV-Duell am Sonntag in Bezug auf Raab die schlimmsten Befürchtungen bestätigt haben, beide packte der ProSieben-Entertainer so hart an, dass die Zuschauer zu Hause genauso feixten wie seine ARD-Moderationspartnerin Anne Will neben ihm: Mit weitem Vorsprung sah das Fernsehpublikum Raab nach dem TV-Duell vorn, gefolgt von Will, abgeschlagen fast gleichauf dann Maybrit Illner und Peter Kloeppel.

Geriet sein Start ein wenig holprig-beflissen, steigerte Raab sich im Laufe der Sendung deutlich, wie man das auch aus seiner Spielshow „Schlag den Raab“ kennt. Wobei er hier ausnahmsweise an gleich drei Fronten kämpfte: gegen die Worthülsen von Kanzlerin und SPD-Herausforderer, gegen die „Kann der das?“-Diskussionen vor dem Duell und nicht zuletzt gegen die politischen TV-Journalisten neben ihm, man könnte sogar sagen: gegen alles, was Deutschland unter politischem TV-Journalismus versteht.

Genauso wie es ihm in „Schlag den Raab“ immer wieder gelingt, auch Spitzensportler zu bezwingen, deklassierte er beim TV-Duell seine Moderatorenkollegen. Raab kann nicht anders: Seine Außenseiterrolle ist ihm immer Ansporn, nie Hemmnis. Immer streben, nie ankommen – das ist das Los des Aufsteigers.

Dass vor allem Raabs Fragen und Kommentare hängen bleiben und dann vielleicht noch die unmittelbaren Reaktionen der Duellanten, nicht aber deren Antworten, beschreibt das Paradoxon dieses Formats: Je unterhaltsamer, kurzweiliger es wird, desto weniger bleibt an Inhalt hängen. Dem ganzen Brimborium drumherum zum Trotz ist und bleibt das TV-Duell eben eine Fernsehsendung, die nach den Regeln eines Mediums funktioniert, das Entertainment und Erkenntnisgewinn nur in Ausnahmefällen unter einen Hut bringt.

Raabs respektloses Auftreten – den Konventionen des politisch-medialen Betriebs, nicht den handelnden Personen gegenüber – war nicht mehr als ein Störgeräusch inmitten einer eingespielten Inszenierung. Und dennoch ein Hoffnungsschimmer: Politikverdrossenheit ist immer auch Politikjournalistenverdrossenheit, weil es diesen Journalisten in dem Maße, in dem sie als Alliierte der Mächtigen wahrgenommen werden, immer weniger gelingt, ihrer eigentlichen Aufgabe nachzukommen: zwischen Politik und Bürgern zu vermitteln. Raab hingegen punktete gerade damit, dass er sich offensiv als Bürger und Wähler in die Debatte einbrachte und sich auch mit seiner Sprache von seinen Moderationspartnern absetzte: Peter Kloeppel hat die Formulierung „King of Kotelett“ wahrscheinlich an diesem Abend zum ersten Mal gehört.

Während sich Politiker und Journalisten im Pressezentrum bis zur Unkenntlichkeit vermischten, propagierte ausgerechnet der oft als Nichtjournalist diffamierte Raab im Studio nebenan die urjournalistische Tugend der Distanz zur Macht: Mit jeder Äußerung machte er klar, dass er nicht dazugehört – und wurde gerade deshalb erhört.

Ein solcher Exotenbonus ist jedoch schnell aufgebraucht. Wenn er zur Masche wird, ist er nichts mehr wert. Das durchschaut das Publikum genauso wie das Rumgekumpel. Deswegen ist Raab nicht die Lösung, aber er ist ein deutliches Signal. Nun ist es an den politischen TV-Journalisten, ihre Schlüsse aus dieser sonntäglichen Lehrstunde zu ziehen – wenn sie denn vor lauter Selbstbesoffenheit überhaupt mitbekommen haben, dass sie da gerade jemand vorführt.