„Als stünde man am Ufer“

MEER Ausstellung über den Tod, das Gottvertrauen der Fischer und die Furcht vor Seeungeheuern

■ 42, leitet die Abteilung Gemälde und Grafik im Altonaer Museum und hat die Ausstellung „Der Tod und das Meer“ kuratiert.

taz: Frau Tiedemann-Bischop, was bedeutet das Meer als Todesursache?

Nicole Tiedemann-Bischop: Es hat die Mentalität der Menschen geprägt. Das zeigen die Denkmäler, die sie an der Küste entlang aufgestellt haben und die Friedhöfe. Aus kunsthistorischer Perspektive hat sich der Blick der Norddeutschen auf die Gefahren des Meeres aber verändert.

Inwiefern?

In Werken aus dem 17. Jahrhundert spielen Gottvertrauen und die Furcht vor Seeungeheuern eine große Rolle. Unter unseren Exponaten ist auch der lange Zahn eines Narwals. Funde wie dieser haben den Menschen damals Angst eingeflößt ...

und sie in ihrem Aberglauben bestärkt?

Richtig. Sie reagierten mit Galionsfiguren, die sie schützen sollten. Ab dem 19. Jahrhundert war die Wissenschaft weiter, da hat man die Tiere im Meer einordnen können. Kunst aus dieser Zeit stellt eher Katastrophen und Rettungsaktionen dar. Diese Bilder wirken, als stünde man am Ufer und schaute auf die stürmische See.

Hat sich in dieser Zeit auch der Umgang der Seefahrer mit den Gefahren des Meeres geändert?

Die Regierung forderte damals Fischer erstmals dazu auf, Schiffbrüchige zu retten. So wurde auch in der Kunst der Fischer zum Held.

Ist der Schiffbruch in norddeutsche Traditionen eingeflossen?

Ja, vor allem in die Trauerkultur. Seefahrerfrauen, die zu Witwen wurden, trugen damals etwa Trauertrachten: Zuerst ganz in Schwarz, später floß immer mehr weiße Farbe ein. Daran konnte die Gemeinschaft ihre Trauerphase ablesen und sehen, ab wann die Frau wieder auf dem Heiratsmarkt war – was damals existentiell war.

Und heute?

Heute bedeutet das Meer Vielen Badevergnügen, Segeln und Wassersport. Dabei sind Sturmfluten durch die Klimaveränderung ein Thema, das auf uns zukommen wird. Das ist die Theorie, die hinter unserer Ausstellung steht: die Ehrfurcht vor den Naturgewalten.  INTERVIEW: KLU

Nina Hinrichs referiert über „Visualisierungen des Todes in künstlerischen Darstellungen der Nordsee und der Küstenlandschaft“: 19 Uhr, Altonaer Museum