Soundtrack
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Sieht man von Sodomiefilmchen auf dem Handy ab, sind kollektive Initiationsriten heute eher ausgestorben. Das war damals in den 80ern noch anders. Da musste noch das schmalste Hemd zu „Too Drunk To Fuck“ durch die Landdisco pogen und zu „Joy Division“ hatte man gefälligst schon mal Selbstmordgedanken gehegt zu haben. Das gab einem dann das Gefühl, nicht allein zu sein; schon deshalb war der phänotypische New-Wave-Schuppen ein Biotop, an das Zeitzeugen warme Erinnerungen knüpfen. Das geht Franzosen nicht anders, wie Nouvelle Vague demonstrieren. Auf deren Setlist stehen all die Wave- und Punk-Klassiker von „Sisters Of Mercy“ über „Clash“ bis „Killing Joke“, allerdings in Versionen, die das Original nur noch als dunklen Schatten erkennen lassen. Plötzlich sind da Calypsorhythmen und lieblicher Damengesang, wo früher Trockeneisnebel und unheilschwangeres Raunen war. Ob dieses simple Rezept live so gut wie auf Platte funktioniert, lässt sich nun überprüfen.

An Tocotronic prüften viele lange lediglich, ob sie (die Hörer) auch die richtigen Trainingsjacken trugen. Seit die Herren (die Band) aber das gute alte „Deutschland verrecke“ ins neue Jahrtausend transferierten („Aber hier leben – nein danke“) und mit Eskapismus verrührten („Pure Vernunft darf niemals siegen“), hat man am Tresen auch als Hamburger Schüler dankbare Themen. Diese Woche ist wieder Klassentreffen beim Konzert.

Womöglich ist es ja tatsächlich so, dass ein Ohr sich mit der Zeit entwickelt, dass es die Schönheit von 7/8-Rhythmen und Feedback schätzen lernt, sich über komplizierte Zick-Zack-Songs und leicht irre Arrangements freut. Die Besucherzahlen bei Animal-Collective- und Liars-Konzerten könnten einen das glauben lassen. Dann müsste es aber auch bei 31 Knots voll werden, schließlich ist die Musik des Trios aus Portland, Oregon nicht so weit weg von den Genannten. Wenn es dann doch nur das Häufchen Enthusiasten wird, das sich schon von Marble Sheep sprachlos spielen ließ, wird man wissen, dass es wieder nur der Herdentrieb des Hypes war, der die Menschen hier- und nicht dorthin treibt. GREGOR KESSLER

Nouvelle Vague: Fr, 31. 3., 21 Uhr, Übel & GefährlichTocotronic/18th Dye: So, 2. 4., 21 Uhr, Übel & Gefährlich31 Knots: Mo, 3. 4., 22 Uhr, Hafenklang