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: Der wandlungsfähige Basken-Befreier

Wer Arnaldo Otegi schmeicheln will, vergleicht ihn mit Sinn-Féin-Chef Gerry Adams. Der 48-jährige Sprecher der verbotenen Batasuna, des politischen Arms der bewaffneten Separatistenorganisation ETA, gefällt sich in der Rolle desjenigen, der wie Adams den Frieden bringen kann. Seit Mittwochabend sitzt der Baske aus Elgoibar dennoch in U-Haft. Otegi sei für einen politischen Generalstreik im Baskenland verantwortlich, bei dem es zu Ausschreitungen kam und ETA mehrere Sprengsätze zündete, so der Richter des obersten spanischen Strafgerichts. Sobald Otegi 250.000 Euro hinterlegt, kommt er gegen Auflagen frei.

Er legte die Grundsteine für die jüngst von ETA verkündete „dauerhafte Waffenruhe“ mit. Seit 2002 trifft er sich regelmäßig mit dem Chef der Sozialisten im Baskenland, Jesús Eguiguren, in einem Landhaus. Bei ihren Treffen entstand die Idee, zur Überwindung des baskischen Konflikts den „militärischen und politischen Aspekt zu trennen“. Zwei Tische müssten her: an einem sollen ETA und der Staat verhandeln, am anderen alle politischen Kräfte des Baskenlands. Das gilt als wahrscheinliches Szenario für Friedensgespräche.

Der zweifache Vater Otegi war nicht immer eine Taube. 1977 trat er ETA político-militar bei. Als diese Anfang der 80er mit der Autonomie die Zeit für Politik statt Waffen gekommen sah, war dies Otegi zu wenig. Er trat zur ETA militar über. 1987 wurde er geschnappt und verschwand mit kurzen Unterbrechungen bis 1993 hinter Gittern. Otegi, der mittlerweile ein Philosophiestudium abschloss, wurde vorgeworfen, an einem Überfall auf die Militärverwaltung in San Sebastián, an der Befreiung eines Genossen aus dem Haftkrankenhaus, mehreren Überfällen sowie an der Entführung eines Politikers beteiligt gewesen zu sein.

Nach der Haft beginnt der begeisterte Wanderer und Pilzsammler ein neues Leben. Er arbeitet in einer Kneipe, wird bei Herri Batasuna aktiv und 1997 ins Autonomieparlament gewählt. Als 1998 die gesamte Parteiführung verhaftet wird, nimmt Otegi die Zügel in die Hand. Er handelt mit den regierenden Nationalisten einen Pakt aus, der zur ETA-Waffenruhe führt. „Otegi, der neue Adams“, schrieb die in- und ausländische Presse. 14 Monate später griff ETA erneut zu Pistolen und Bomben. Regierung und Justiz zogen die Schrauben an. Otegis Partei wurde bald verboten, rund 1.000 mutmaßliche Etarras verhaftet. Otegi muss immer wieder vor den Untersuchungsrichter. Jetzt, wo ETA vor einem Scherbenhaufen steht, bekommt Otegi eine zweite und wohl auch letzte Chance, will er seine Glaubwürdigkeit nicht endgültig verspielen. REINER WANDLER