Wegen Überfüllung geschlossen

Die Föderalismusreform macht Hamburgs Hochschulchefs große Sorgen. Denn die Lehrstätten der Hansestadt drohen, hohe Fördersummen zu verlieren. Die Folgen wären Baustopps und ein Erlahmen wissenschaftlicher Innovation

von Eva Weikert

Überfüllte Seminare, bröckelnder Putz, Fächerschließungen – das ist schon heute Realität in den klammen deutschen Hochschulen. Doch es droht noch schlimmer zu werden. Folgt man den Warnungen der Hamburger Hochschulpräsidenten, werden Gebäudeverfall, Stagnation in der Lehre und massiver Studienplatzmangel die Zukunft prägen.

Schuld ist die Förderalismusreform, die zurzeit zwischen Bund und Ländern verhandelt wird. Die Reform sieht die Abgabe von Kompetenzen und Zuständigkeiten des Bundes an die Länder vor. Für die Hochschulen ist geplant, die Finanzierung von Neubauten und Sanierungen in Länderhand zu legen. Nach dem neuen Berechnungsschlüssel würde Hamburg schlechter gestellt und aus Berlin jährlich bis zu zehn Millionen Euro weniger erhalten (siehe Kasten).

Viel schwerer noch wiegen die Einschnitte in der Lehre durch den Rückzug des Bundes. So soll der Zentrale lediglich noch gestattet sein, an der Förderung von Forschungsvorhaben mit überregionaler Bedeutung mitzuwirken. Im Gegenzug entfallen die so genannten Hochschulwissenschaftsprogramme – vom Bund bezahlte Modellversuche und Sonderprogramme etwa zum Aufbau von Studiengängen.

Am härtesten trifft die Neuerung die Fachhochschulen. Denn anders als Unis dürfen sich die FHs nicht für Forschungsmittel etwa bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder bei der „Exzellenz-Initiative“ von Bund und Ländern bewerben. An der Hamburger FH, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), sind allein alle wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge einst mit Geld aus Berlin aufgebaut worden.

In den vergangenen zwei Jahre erhielt die HAW aus der Hauptstadt insgesamt knapp 3,3 Millionen Euro an Fördermitteln. Damit konnte sie sich zur „familienfreundlichen“ Hochschule mausern, eine studentische Lehre-Evaluation und zwei neue Aufbaustudiengänge einführen, eine Reihe an Promotionsstipendien und Förderprofessuren für Frauen vergeben sowie die Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse bewältigen. „Solange das Land Hamburg keinen neuen Geldhahn aufdreht“, warnt HAW-Chef Michael Stawicki, „wird diese Sorte Innovation künftig sehr viel schwieriger.“

Auch um Bauvorhaben muss Stawicki fürchten, sollten Bund und Länder am angepeilten Berechnungsschlüssel für die Hochschulbauförderung festhalten: Besonders das Elektrohochhaus, eines der HAW-Hauptgebäude, sei dringend sanierungsbedürftig, so der Präsident. Ebenfalls „wackeln“ werde der Umbau der früheren Klinik Finkenau, den die Gestalter der HAW 2008 beziehen sollen.

Würden keine neuen Geldquellen erschlossen, könnten auch an der Uni nicht einmal die dringendsten Baumängel beseitigt werden, bläst Uni-Chef Jürgen Lüthje in das gleiche Horn. Am brennendsten sei die Sanierung des Philosophenturms und des Geomatikums.

Auch die Uni hat bisher stark von den Wissenschaftsprogrammen des Bundes profitiert. Damit, so Lüthje, wurden „Engpässe in der Finanzierung durch die Länder gemildert“. Die Förderung von Modellversuchen und Sonderprogrammen habe viele Innovationen erst ermöglicht.

Die Hamburger Wissenschaftsbehörde hält die Schwächung des Bundes und die Stärkung der Länderzuständigkeit „grundsätzlich für begrüßenswert“. Diese erlaube, so Sprecherin Sabine Neumann, Projekte „zügiger voranzutreiben“. Einen ausführlichen Kommentar werde der Senat aber erst abgegeben, wenn das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen ist. Unklar sei bisher noch, wie bereits begonnene Bauvorhaben zu Ende finanziert würden. Der Umbau der Klinik Finkenau werde aber wie geplant 2007 starten, beschwichtigte die Pressestelle.

In einem Brief an den Bundestag fordern dagegen die Hamburger Hochschulchefs, das Reformpaket wieder aufzuschnüren. Der Rückzug des Bundes verursache nicht nur Innovationsstau und Baustopp. Wegen der Verkürzung des Abiturs rechnen die Hochschulen bis 2012 jährlich mit doppelten Bewerberzahlen. Die Bewältigung der höheren Nachfrage, „die die Republik ja unbedingt benötigt“, wie die Präsidenten schreiben, wäre nach Verabschiedung der Reform nicht möglich, weil den Ländern allein das Geld dafür fehle. HAW-Chef Stawicki: „Es ist beinahe idiotisch zu sagen, der Bund darf da nicht helfen.“