122 Quadratmeter Leerstand

RÄUMUNG Die alte Wohnung der zwangsgeräumten Gülbols sollten angeblich neue Mieter zum doppelten Preis bekommen. Nachbarn und Aktivisten wollen das verhindert haben

715 Euro kalt zahlten die Gülbols einst, jetzt soll die Miete bei 1.300 Euro liegen

VON SEBASTIAN PUSCHNER

Der Vermieter soll auf seiner leerstehenden Wohnungen sitzen bleiben: Das hat das Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ im Juli als Ziel für die einstige Bleibe der Familie Gülbol in der Lausitzer Straße 8 ausgegeben. Nun vermelden die Mieteraktivisten einen ersten Erfolg: Drei Studierende hätten am vergangenen Wochenende in die Wohnung in Kreuzberg einziehen wollen, so schreibt es das Bündnis in einer Mitteilung. Doch nachdem Nachbarn den dreien von der vorangegangenen Zwangsräumung erzählt hätten, hätten sie ihre Möbel wieder aus der Wohnung geholt und den Einzug abgeblasen. Die Miete für die inzwischen renovierten Räume sei um knapp das Doppelte gestiegen.

Die Wohnung und die Gülbols als ihre einstigen Bewohner gelten als Symbol für den Widerstand von Mietern gegen steigende Mieten und Verdrängung. 16 Jahre lang wohnte die Familie auf den 122 Quadratmetern. Jahrelang stritten sich der 41-jährige Malermeister Ali Gülbol, seine Frau Necmiye und die drei Kinder mit ihrem Vermieter vor Gericht wegen ihrer Kündigung; vorher hatten sie sich erfolglos gegen eine Mieterhöhung um knapp 100 Euro gewehrt, die fällige Nachzahlung dann überwiesen – allerdings nicht fristgerecht. Einen ersten Räumungsversuch verhinderten Demonstranten mit einer Blockade des Hauseingangs, im Februar setzte die Polizei die Räumung dann mit 831 Beamten, 32 Kameras und einem Helikopter durch. Die Gülbols zogen zu Verwandten im selben Haus. Im Juli bat das Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ mit Flugblättern darum, ihm Besichtigungstermine und „andere Aktivitäten zur Neuvermietung“ melden (taz berichtete).

Nicht inseriert

Ali Gülbol erzählte nun der taz auf Anfrage, er habe am vergangenen Samstag bemerkt, wie drei junge Menschen Kartons und Möbel in seine alte Wohnung schleppten. Er habe ihnen daraufhin von seiner Zwangsräumung erzählt und sie nach der vereinbarten Miete gefragt. „Sie erzählten mir, sie würden 1.300 Euro Kaltmiete pro Monat zahlen, bei mir betrug die Miete zuletzt 715 Euro“, sagte Gülbol. Beim Vermieter hätten die drei eigentlich wegen einer anderen inserierten Wohnung angefragt. Der habe ihnen dann aber die Räume in der Lausitzer Straße angeboten, da diese so frisch renoviert seien, dass er sie noch gar nicht im Internet inseriert habe – so schildert Gülbol das Gespräch. Er habe daraufhin das Haus verlassen und es erst wieder am Abend betreten. Nachbarn hätten ihm dann erzählt, dass sie in der Zwischenzeit mit herbeigeeilten Aktivisten des Bündnisses auf die drei eingeredet hätten. Schließlich hätten diese beschlossen, nicht einzuziehen.

Dabei sei es zu keinerlei Einschüchterungsversuchen gekommen, sagte eine Sprecherin des Bündnisses am Mittwoch der taz. Ein Polizeisprecher erklärte auf Anfrage, es habe in diesem Zusammenhang am vergangenen Samstag keinen Polizeieinsatz gegeben, den Beamten sei lediglich die Pressemitteilung des Bündnisses bekannt. Der Vermieter ließ eine taz-Anfrage am Mittwoch unbeantwortet.