Same same but different

ANALYSE Die aktuellen Probleme der Schwellenländer erinnern an die Asienkrise der 1990er Jahre. Doch manche Länder haben aus ihren Fehlern gelernt

Investoren stürzten sich begeistert auf die asiatischen Tigerstaaten mit ihren deregulierten Märkten

BERLIN taz | Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie wiederholt ihre Lehre, bemerkte der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker einmal. Auch die Asienkrise von 1997 wird sich nicht wiederholen, denn gerade die damaligen Krisenländer wie Thailand, Malaysia und Südkorea haben sich mit einem dicken Polster von Währungsreserven gewappnet. Andere Schwellenländer haben aus den Erfahrungen offenbar nicht die nötigen Lehren gezogen.

In den 1990er Jahren hatten sich internationale Investoren begeistert auf die asiatischen Tigerstaaten mit ihren deregulierten Märkten gestürzt. Sichtbares Zeichen des Booms waren die Wälder von Hochhäusern, die oft über Nacht hochgezogen wurden. Das ausländische Geld floss nämlich größtenteils zu Spekulationszwecken in die Aktien- und Immobilienmärkte. Als den Investoren auffiel, dass diese Entwicklung wohl nicht nachhaltig war, zogen sie ihr Geld ab. Erst stürzten die Währungen der betroffenen Länder ab, dann ihre ganze Wirtschaft.

Zehn Jahre später brach in den USA die Finanzkrise aus, gefolgt von der Eurokrise. Erneut wichen internationale Investoren in die Schwellenländer aus, vor allem in die Brics-Staaten (siehe Kasten), aber auch in Länder wie Indonesien und die Türkei. Auch diesmal wurde dort „hot money“ investiert – Geld, das ebenso schnell verschwindet, wie es kam. Allein in der zweiten Augusthälfte 2013 sollen mehr als 8 Milliarden US-Dollar aus den Schwellenländern vor allem Richtung USA geflossen sein, wo die Zinsen demnächst angehoben werden könnten.

Wiederholt sich die Asienkrise nun doch? Der Immobilienboom in der Türkei etwa, der durch die Proteste gegen das Bauvorhaben der Regierung im Istanbuler Gezipark ins internationale Blickfeld geriet, weckt durchaus entsprechende Erinnerungen. Die türkische Lira büßte gestern kräftig an Wert ein, nachdem eine Ratingagentur den wirtschaftlichen Ausblick für das Land als „unsicher“ einstufte. „Wir konsumieren mehr als wir verdienen“ – diese Diagnose des türkischen Forschungsinstituts Tepav trifft auch für viele der anderen Schwellenländer zu. Wenn nun internationale Anleger ihr Geld abziehen, verlieren die Währungen an Wert. Die Importe, von denen diese Länder oft allzu abhängig sind, verteuern sich dadurch. Das führt zu einer höheren Verschuldung. Ein Teufelskreis.

Die Schwellenländer kämpfen dagegen an, indem sie massenhaft ihre eigenen Währungen aufkaufen und durch diese künstliche Nachfrage den Kurs stützen. Allein Brasilien will mit 60 Milliarden Dollar auf den Devisenmärkten intervenieren. Doch Experten halten längerfristige Reformen zur Stärkung der Realwirtschaft für notwendig. Indonesien will nun durch geringere Einfuhren und Investitionen in arbeitsintensive Wirtschaftssektoren das Ruder herumwerfen. Indien hofft auf Geld durch Privatisierungen.

Immerhin sind die meisten dieser Länder diesmal weniger hoch verschuldet als vor Ausbruch der Asienkrise. Sie dürften auch etwas Zeit gewonnen haben durch den Beschluss der großen Industrie- und Schwellenländer auf dem G-20-Gipfel vergangene Woche, die Zinsen in den USA und Europa nur ganz langsam anzuheben. Zudem wollen die Brics-Staaten ihren eigenen Währungsfonds gründen, der bei Währungsturbulenzen helfen soll. Es besteht also die Chance, allzu schmerzhafte Lehren diesmal zu vermeiden.

NICOLA LIEBERT