Täglich droht die Räumung

In Karlsruhe soll das Ex-Steffi, eines der letzten selbst verwalteten Kulturzentren bundesweit, aus seinen Gebäuden fliegen. Die Stadt verweigert den Dialog mit den Bewohnern. Das Alternativprojekt sucht nun Investoren für ein neues Gelände

AUS KARLSRUHEHEIDE PLATEN

Vorurteile halten sich hartnäckig. Trotzdem haben sich die Hausbesetzer aus der Schwarzwaldstraße 79 neben dem Südausgang des Karlsruher Hauptbahnhofes schon mehrfach artig entschuldigt. Sie seien gewiss keine Umweltferkel, sondern die Müllabfuhr streikt eben auch in Karlsruhe. Ein Transparent im Innenhof bekundet Solidarität. Der Rest ist Barrikade, aufgetürmt neben den Einfahrten. Die Fenster sind verrammelt.

Die Bewohner des selbst verwalteten Kulturzentrums Ex-Steffi rechnen täglich mit der Räumung. Im Erdgeschoss wird an Transparenten gewerkelt, in den ersten Stock geht es nur über eine schmale Holztreppe, die oben mit einem schrägen Betonklotz blockiert ist. In der Küche sitzen die Gymnasiastin Stella (18) und der Licht- und Tontechniker Bert (36). Sie versenden Faxe, E-Mails, SMS, entwerfen Flugblätter und basteln an jedem Satz, als sei er die Rettung. Seit Wochen organisieren die 25 Menschen, die hier alternativ leben und arbeiten, gemeinsame Aktionstage, weitere Demonstrationen und Feste sind geplant. Und zwar friedlich, sagt Stella: „Wir wollen keine Gewalt.“

Angefangen hatte alles 1990 mit der Besetzung einer seit zehn Jahren leer stehenden Zahntechnikfabrik in der Karlsruher Stephanienstraße. Dort war in sechs Jahren ein alternatives, selbst verwaltetes Kulturzentrum entstanden. Als der Eigentümer, die evangelische Stadtmission, mit Abriss drohte, bot die Stadt die ehemalige Bahnhofskantine als Ersatz an. Das „Ex-Steffi“ entstand. In die drei Nachbargebäude zogen über 40 Künstler und Kulturinitiativen ein. Sie verwandelten das Gelände neben den Gleisen in eine kleine Insel. In den Höfen stehen Kunstobjekte, vor den Türen wachsen Frühlingsblumen, in einer Voliere zirpen Finkenvögel.

Währenddessen suchte die Stadt ebenso intensiv wie vergeblich Investoren für das Gelände. Den 2003 auslaufenden Vertrag verlängerte sie nicht, musste die Bewohner nach einem Gerichtsurteil aber bleiben lassen. Diese Frist lief am 1. Februar ab. Seitdem sind die Nutzer wieder Besetzer. Die drohende polizeiliche Räumung dominiert den Alltag. Die Stadt, sagen die Bewohner, verweigere den Dialog.

Die Ex-Steffi-Bewohner verstehen sich nicht als politische Gruppe oder Kommune, sondern als homogene Gemeinschaft verschiedener, linker und alternativer Weltanschauungen. Entscheidungen werden nicht abgestimmt, sondern ausdiskutiert. Stellas Anspruch ist bescheiden. Gemeinsam zu leben, zu arbeiten, selbst bestimmt und ohne Reglement das eigene Leben aktiv zu gestalten, dass sei ihr genug. Dafür aber will sie kämpfen. Bert überlegt: „Ich lebe gern hier. Ich will mitkriegen, was mit den Menschen passiert.“ Das kann er bei den Veranstaltungen, die Geld in die Hauskasse bringen und durch das Zusammenleben. Dessen Regeln sind einfach: „Kein Faschismus, kein Sexismus.“ Und einen Putzplan für Toiletten und Küchen.

Die Ex-Steffi-Bewohner wissen sehr wohl, dass ihr Widerstand nur symbolischen Charakter hat. Sie kalkulieren, schreiben Finanzierungs- und Nutzungspläne und würden auch freiwillig ausziehen. Bisher aber habe die Stadt jedes Gespräch über Ersatzobjekte verweigert. Deren Pressesprecherin sagt, die Entscheidung über die Zukunft der Bewohner liege derzeit beim Amtsgericht, also beim Gerichtsvollzieher: „Inzwischen haben wir auch einen Investor an der Hand.“ Über das aber wolle sie derzeit noch nichts sagen.

Der Gerichtsvollzieher kam vergangene Woche, besah sich das verschlossene Haus und nahm dankend eine Einladung zu Kaffee und Kuchen an. Stella und Bert hoffen weiter auf eine gütliche Einigung: „Wir brauchen doch nur noch ein Jahr.“ Bis dahin wollen sie ihre neue Bleibe in zwei denkmalgeschützten Häusern gesichert haben. Mit Hilfe des alternativen Miethaussyndikats haben sie eine GmbH gegründet, einen Kredit beantragt und suchen Investoren, die das Projekt mit privaten Darlehen finanzieren. Ähnliche Wohnmodelle haben sich in anderen Städten zu Tourismusattraktionen entwickelt.