Neue Parteien mit alten Gesichtern

JAPAN Den Volksparteien laufen die Wähler davon. Von der wachsenden Unbeliebtheit der neuen Regierung kann die oppositionelle LDP jedoch nicht profitieren, vielmehr zeigt sie Auflösungserscheinungen

Die regierende DPJ hat viele Japaner enttäuscht, weil versprochene Reformen ausblieben und Parteiführer in Skandale verstrickt sind

AUS TOKIO MARTIN FRITZ

Drei Monate vor der Oberhauswahl gerät Japans politische Landschaft heftig in Bewegung. Neue Parteien bieten sich als Sammelbecken für die stark steigende Zahl unzufriedener Wähler an. Die Demokratische Partei (DPJ), die bei der letzten Wahl Ende August triumphierte und seitdem erstmals die Regierung stellt, verliert dramatisch an Rückhalt. Im September waren Umfragen zufolge drei Viertel der Wähler mit Premierminister Yukio Hatoyama zufrieden, Anfang April waren es nur noch ein Drittel. Zugleich zeigt die Liberaldemokratische Partei (LDP), die über ein halbes Jahrhundert lang fast ununterbrochen regierte, erste Auflösungserscheinungen.

Am vergangenen Wochenende hoben mehrere LDP-Schwergewichte die Partei „Steh auf, Japan“ (Tachiagare Nippon) aus der Taufe, als deren englischer Name „Sunrise Party of Japan“ gewählt wurde. „Zuallererst wollen wir eine gute Oppositionskraft sein“, erklärte Mitgründer Kaoru Yosano, Finanzminister der letzten LDP-Regierung.

Der frühere Handelsminister Takeo Hiranuma übernahm den Parteivorsitz. Auch Kunio Hatoyama, der Bruder und politische Gegner des Premiers, steht der neuen Partei nahe. Alle drei traten kürzlich aus der LDP aus. Unterstützung kommt von Tokios rechtskonservativem Bürgermeister Shintaro Ishihara, ebenfalls früheres LDP-Mitglied. Auch an der politischen Basis rumort es. Hiroshi Yamada, Leiter des Tokioter Stadtbezirks Suginami, will jetzt mit früheren und amtierenden Chefs von Kommunen eine neue Reformpartei gründen. „Wir müssen die Regionen, die Landwirtschaft und das Erziehungswesen neu aufbauen, um das traditionelle Japan zu beleben“, fasst er seine Ziele zusammen. Er begrüßte die Gründung von „Steh auf, Japan“, weil dies die politische Diskussion belebe.

Die Veränderungen werden in Japan unterschiedlich bewertet. Der neue Trend zersplittere die Opposition und sei zum Vorteil der DPJ, warnte die regierungskritische Zeitung Yomiuri. Die Neugründung „Steh auf, Japan“ gilt als weitgehend chancenlos. „Die Partei hat keine Vision, kein Programm und kein frisches Gesicht“, meinte der linke Analyst Minoru Morita. Während Yosano für höhere Steuern und eine Postprivatisierung eintritt, lehnt Hiranuma das ab. Beide saßen schon in der Oberschule nebeneinander, im Schnitt sind ihre Gründer 70 Jahre alt. „Zum Aufstehen brauchen sie doch Krücken“, höhnte ein LDP-Mann.

Nutznießer des Umbruchs könnte die junge, reformorientierte „Partei für alle“ von Ex-LDP-Generalsekretär Yoshimi Watanabe sein, die bereits im Parlament sitzt. Die regierende DPJ hat viele Japaner enttäuscht, weil Parteichef Hatoyama und sein Generalsekretär Ichiro Ozawa in Spendenskandale verstrickt sind. Versprochene Reformen wie die Beschneidung der Beamtenmacht und die Verlegung einer US-Basis auf Okinawa kommen nicht voran. Die ausufernden Staatsschulden schüren Zukunftsängste.

Mehrere DPJ-Politiker verlangten zwar Ozawas Rücktritt, aber ohne den gewieften Strategen fürchtet die Partei eine Niederlage bei der Oberhauswahl im Juli. Ozawa könnte zudem hinter den Kulissen eine große Koalition zimmern.