Firmen öffnen sich Migranten

Durch Pakt mit der Wirtschaft will Senat hohe Arbeitslosigkeit unter jungen Zuwanderern senken. 1.000 Arbeitsplätze versprochen. Lehrergewerkschaft mahnt, mehr Geld für Schulen wäre hilfreicher

von Eva Weikert

Die Hamburger Wirtschaft hat sich selbst verpflichtet, verstärkt junge Migranten einzustellen und auszubilden. Auf Initiative von Bürgermeister Ole von Beust wurde gestern ein „Aktionsplan zur Integration“ vereinbart, dessen Ziel es ist, 1.000 junge Zuwanderer in Ausbildung oder Arbeit zu bringen. Zu den Unterzeichnern gehören neben Vertreter von Unternehmen und Kammern die Arbeitsagentur und der Gewerkschaftsbund. Der Senat selbst kündigte an, den Anteil der Auszubildenden aus Migrantenfamilien im öffentlichen Dienst „deutlich zu erhöhen“.

Wer junge Migranten integrieren will, „muss dafür Sorge tragen, dass sie die gleichen Chancen auf eine qualifizierte Ausbildung bekommen wie alle anderen Jugendlichen“, sagte von Beust. „Entscheidend ist, dass Hamburger Unternehmen hier mitziehen.“ Wegen der öffentlichen Selbstverpflichtung sei die Verbindlichkeit „relativ hoch“, so sein Sprecher Lutz Mohaupt.

Unterschrieben haben unter anderem Airbus, Deutsche Bank und Hamburger Sparkasse, Eurogate und die Norddeutsche Affinierie. Offenbar ist die Initiative nicht bloß ein Reflex auf die aktuelle Debatte über eine bessere Integration von Migranten in deutschen Schulen. Vor der Paktunterzeichnung im Gästehaus des Senats hatte sich die Runde schon mehrfach getroffen.

Außer in den nächsten zwei Jahren 1.000 junge Migranten einzustellen, versprechen die Unternehmen, ein Einstellungsverfahren für kaufmännische Berufe mitzuentwickeln, das interkulturelle Kompetenzen berücksichtigt. Zudem wollen sie ihre Anforderungen darlegen und Qualifizierungsvorschläge machen. In Frage kommende Jugendliche wählen Schulbehörde und Arbeitsagentur aus. Aufgefangen werden Schüler in Abgangsklassen und in Bildungsgängen an Berufsschulen sowie arbeitslose Absolventen.

In Hamburg sind rund elf Prozent aller Jugendlichen arbeitslos. „Ein beachtlich hoher Teil davon hat einen Migrationshintergrund“, so Arbeitsagenturchef Rolf Steil. Als Gründe nannte er „objektive Defizite wie schlechte Noten“, aber auch „das Bild der Arbeitgeber von Migranten“. Um die Chancen der Jugendlichen zu erhöhen, sehe der Aktionsplan auch Nachilfe in Deutsch und Mathe vor. „Aber“, so Steil, „beide Seiten müssen sich ändern.“

Darauf dringt auch Kazim Abaci, Geschäftsführer von „Unternehmer ohne Grenzen“, ein Zusammenschluss von ausländischen Existenzgründern. „Die Betriebe schauen erst mal nur auf die Noten und nicht auf den Menschen“, kritisiert er. Dadurch würden viele Migranten oftmals schon in der ersten Bewerbungsrunde ausgesiebt. Die überdurchschnittlich schlechten Abschlüsse seien Resultat dessen, „dass das deutsche Schulsystem nicht in der Lage ist, angemessen auf die Situation von Migranten zu reagieren“, meint Abaci: „Wie sonst ist der hohe Anteil von Migrantenkindern an Hauptschulen zu erklären? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die alle unfähig sind.“

Die Lehrergewerkschaft GEW fordert den Senat angesichts der Debatte um Gewalt an Schulen dazu auf, Mittelkürzungen vor allem an Ganztagsschulen in sozialen Brennpunkten zurückzunehmen. Der Hilferuf der Rütli-Schule in Berlin-Neukölln „ist nur die Spitze des Eisbergs. Vergleichbares könnte sich auch in Hamburg ereignen“, meinte GEW-Chef Klaus Bullan. Umso dringender sei eine Umsteuerung in der Bildungspolitik.

Die Schule zu reformieren, verlangten einmal mehr auch die Grünen. Zwar sei es „gut“, dass Senat und Wirtschaft „aufgewacht sind“. Um Integration langfristig zu verbessern, „dürfen Kinder mit Startschwierigkeiten aber nicht frühzeitig in die Hauptschule aussortiert werden“. Auch die SPD sieht die Initiative positiv, mahnte aber: „Dies reicht bei weitem nicht aus.“ Der Senat habe in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, die Lage zu verschärfen. Seine „Gebührenpolitik von der Kita über die Vorschule bis hin zur Hochschule“ verbaue insbesondere Kindern von Einwanderern den Zugang zu Bildung und Jobs.