„Existenzfrage für die Branche“

Die Vogelgrippe dürfte noch auf andere Ställe übergreifen, befürchtet Geflügelberater Friedhelm Deerberg

taz: Herr Deerberg, die Vogelgrippe ist erstmals in einem deutschen Stall aufgetreten. Sie sind Berater für Geflügelhalter – wie reagieren Ihre Kunden?

Friedhelm Deerberg: Sie sind sehr besorgt. Sie haben das Gefühl, dass die Vogelgrippe überall zuschlagen kann. Denn es gibt ja bisher keine schlüssige Erklärung für die Infektionswege. Nur die Zugvögel können es nicht sein. Jeder Geflügelhalter zieht den Kopf ein und hofft, dass es ihn nicht trifft.

Lässt sich die Vogelgrippe noch eindämmen?

Ich bin skeptisch. Der Betrieb hatte doch ständig Kontakt nach außen. Liefer- und Transportfahrzeuge könnten das Virus breiter gestreut haben.

Was raten Sie Ihren Kunden?

Niemanden auf den Hof zu lassen, der dort nichts zu suchen hat.

Also eine Art Zwangsquarantäne für alle Bauern?

Mit der Freizügigkeit ist es erstmal vorbei. Das trifft vor allem die Bauern, die einen Hofladen betreiben. Es geht nicht mehr, dass die Kunden einfach in die Ställe rennen.

Mit welchen Verlusten rechnen Sie für die Geflügelbranche?

Das kann niemand sagen. Aber die Vogelgrippe kann zur Existenzfrage werden. Das hängt auch davon ab, welche Art von Geflügel sich infiziert.

Diesmal waren es Gänse und Puten.

Das ist hart für den Züchter. Die Gänse für Weihnachten werden jetzt gebrütet. Danach ist dieses Saisongeschäft vorbei.

Sind sterbende Hühner nicht so schlimm?

Sehr kritisch wird es, wenn Elternbestände, also Zuchttiere, betroffen sind. Dann dauert es fast ein Jahr, bis es wieder inländische Eier gibt. Diese so genannten F1-Betriebe konzentrieren sich in den großen Geflügel-Ballungsgebieten – wie zum Beispiel in Niedersachsen. Das ist der ganz große Bammel der Branche, dass das Virus in diesen Elternbeständen einschlagen könnte.

Ein Ende der Vogelgrippe ist nicht abzusehen. Wie leben die Bauern mit dieser dauernden Ungewissheit?

Alle hoffen auf einen Impfstoff mit einem Marker, sodass sich unterscheiden lässt, ob ein Vogel geimpft ist oder infiziert. Denn dann dürfte man das geimpfte Geflügel und die Eier exportieren.

INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN