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BERLIN ART WEEK Mit dem Thema „Painting Forever!“ möchten vier Institutionen ein Zeichen für die totgesagte Malerei setzen und geben zugleich ein Versprechen an den Kunstmarkt. Nicht alle Ergebnisse überzeugen

Wer sich selbst ein Bild davon machen will, wie die zeitgenössische Malerei auf der Berlin Art Week präsentiert wird, kann ab Donnerstag die vier Institutionen besuchen, die für „Painting Forever!“ zusammenarbeiten.

■ Painting Forever!: Berlinische Galerie, Alte Jakobstr. 124–128, bis 31. 3. 2014; Deutsche Bank KunstHalle, Unter den Linden 13/15, bis 10. 11. 2013; KW Institute for Contemporary Art, Auguststr. 69, bis 10. 11. 2013; Neue Nationalgalerie, Potsdamer Str. 50, bis 24. 11. 2013

VON MARCUS WOELLER

Marcel Duchamp war einer der ersten Totengräber der Malerei, als er 1912 erhebliche Zweifel an der Gattung äußerte. In der Folge steuerte sie in die Abstraktion und erfüllte sich schließlich, befeuert durch den Kunstkritiker Clement Greenberg, im Abstrakten Expressionismus der 1950er Jahre. Und nachdem sich die Malerei im Pathos der reinen Form selbst beerdigt hatte, verfiel die Kunst dem Minimalismus und dem konzeptuellen Diskurs.

Doch die Maler probten die Auferstehung. Sie riefen um 1980 trotzig eine Malerei nach dem Ende der Malerei aus, nur um sich bald der Revolution von Video- und Installationskunst geschlagen geben zu müssen. Kaum zwanzig Jahre später feierte die Leipziger Schule das Malen mit einem Pomp als wäre nichts gewesen. Expressive Figuration und Neosurrealismus waren plötzlich wieder da.

Während die Kunstkritik sich stetig an der Malerei stößt, sind Publikum und Markt von ihr begeistert. Flachware ist eben am besten zu verkaufen! Insofern ist „Painting Forever!“ auch ein Versprechen an den Kunstmarkt. Unter diesem Thema arbeiten vier Institutionen – die Berlinische Galerie, die Deutsche Bank KunstHalle, das KW Institute for Contemporary Art und die Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin – in diesem Jahr zusammen, um der zeitgenössischen Malerei bei der Berlin Art Week eine Bühne zu bieten.

Im Mies-van-der-Rohe-Bau wird der Flirt mit dem Kunstmarkt besonders deutlich. „BubeDameKönigAss“ sieht aus wie ein Satellit der Verkaufsausstellung abc – art berlin contemporary. In vier Winkel verteilt dürfen sich Martin Eder, Michael Kunze, Anselm Reyle und Thomas Scheibitz ausbreiten, aber nicht mischen. Die Malermeister gehören der Generation 1960 bis 1970 an und haben Höhen und Tiefen der öffentlichen Wertschätzung kennengelernt. Reyle etwa war zeitweilig der Shootingstar eines überhitzten Kunsthandels. Scheibitz hat zwar Deutschland schon auf der Biennale in Venedig vertreten, aber sich in den öffentlichen Sammlungen noch lange nicht etabliert.

In der Neuen Nationalgalerie sei Malerei kaum gezeigt worden, abgesehen von großen Namen wie Jörg Immendorff oder Gerhard Richter, bekennt Udo Kittelmann. Für diese vier Künstler habe man sich nun entschieden, weil sie sich durch eine „polarisierende Rezeption“ und „emotionalisierende Wirkung der Malerei“ auszeichnen. Leider macht sich die Ausstellung nicht die Mühe der Frage näherzukommen, warum Malerei heute und, wie der Titel „Painting Forever!“ ja andeutet, bis in alle Ewigkeit relevant ist. Kittelmann scheut sich, sein Museum als Kompetenzorgan in die Pflicht zu nehmen, und will lieber eine „Ergebnisoffenheit als Kriterium der Kunst diskutieren“. Was auch immer das heißen soll. Eigentlich war er beim Antritt als Direktor der Nationalgalerie einmal mit dem Vorhaben angetreten, mehr mit den eigenen Sammlungen zu arbeiten. Im Rahmen der Berlin Art Week hätte sich eine gute Möglichkeit gegeben, die vier zeitgenössischen Positionen in den Kontext ausgewählter Werke der Nationalgalerie zu stellen. Stattdessen überlässt er drei großen Berliner Galerien – Eder wird von Eigen + Art, Kunze und Reyle von Contemporary Fine Arts und Scheibitz von Sprüth Magers vertreten – das Feld, ihre Künstler zu musealisieren. Die Berlinische Galerie sekundiert dieses Prinzip mit einer gigantischen Installation des Malers Franz Ackermann, der von der renommierten Galerie Neugerriemschneider vertreten wird.

Während die Kunstkritik sich an der Malerei stößt, sind Publikum und Markt begeistert

Gegen diese virile Mannschaft tritt in der Deutsche Bank KunstHalle „To Paint is to love again“ an, kuratiert von Eva Scharrer. Sie stellt dem halb abstrakten, halb surrealistischen Spätwerk der Berliner Malerin Jeanne Mammen (1890–1976) drei Gegenwartskünstlerinnen voran – Katrin Plavcak, Antje Majewski und Giovanna Sarti –, die aufzeigen, wie vielfältig die Verstrickungen von Figuration und Abstraktion, Konzeption und Narration in der Malerei aktuell verhandelt werden.

Die Überraschung des Quartetts gelingt aber Ellen Blumenstein, der KW-Chefkuratorin, mit einer radikalen Hängung von siebzig malerischen Einzelwerken, denen sie Zitate zur Malerei gegenüberstellt. Dem Starkult und der historischen Einordnung setzt „Keilrahmen“ den Pluralismus von Berlins Kunstszene entgegen und findet eine Ausstellungsform, die zur Diskussion von Objekt und Präsentation regelrecht herausfordert.

Gründe gibt es genug, ein Zeichen für die Malerei zu setzen und den Diffamierungen konstruktiv zu begegnen. Denn Paul Cézannes Maxime von 1900 gilt immer noch: „Es gibt eine rein malerische Wahrheit der Dinge.“ Die erfüllt nämlich ein sehr ergebnisorientiertes Grundbedürfnis der Kunst: in der Verbindung aus individuellem Gestus und der Reibung mit Gegenwart und Vergangenheit immer wieder neue Bilder zu schaffen.