Landwirte: Justiz verschleppt Prozess

AGRAR Ostbauern klagen im Streit über die Landvergabe in der Ex-DDR vor Europa-Gericht

BERLIN taz | Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) zieht im Kampf gegen die ihrer Meinung nach unfaire Landverteilung in Ostdeutschland vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. AbL-Mitglied Franz-Joachim Bienstein habe in Straßburg Beschwerde gegen die Bundesrepublik eingereicht, teilte die Organisation am Freitag in Berlin mit. Der Vorwurf des Bauern wiegt schwer: Das Berliner Kammergericht verschleppe seine vier Jahre alte Musterklage dagegen, dass der Staat neue Höfe bei der Privatisierung von DDR-Land benachteiligt habe.

„Es geht um die Frage: Industrielle Agrarproduktion oder bäuerliche Landwirtschaft?“, sagt AbL-Chef Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Er kritisiert, dass nach der Wende in Ostdeutschland der ehemals staatseigene Boden überwiegend an die riesigen Nachfolgebetriebe der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) sowie deren frühere Führungskräfte gegangen sei. Denn kaufen durfte nur derjenige, der das Land schon vorher gepachtet hatte – so hätten etwa einfache LPG-Mitarbeiter, die sich nach der Wende selbstständig machen wollten, keine Chance gehabt. Baringdorf: „Da wird ein Großgrundbesitz etabliert, der alles, was früher vom Adel zusammengerafft wurde, in den Schatten stellt.“

Bienstein selbst ist sauer, weil er sich gegenüber den LPG-Nachfolgern wirtschaftlich benachteiligt sieht. Als er 1992 einen Hof mit 90 Hektar Land in Mecklenburg übernahm, bekam er trotz Anträgen keinen zusätzlichen Boden von der bundeseigenen Treuhandgesellschaft BVVG. Seinem Nachbarn dagegen – einem ehemaligen DDR-Betrieb mit 3.500 Hektar – gab die Behörde Äcker zu Billigpreisen. Bienstein verklagte die BVVG deshalb auf Schadenersatz. Er verlor und ging vor dem Berliner Kammergericht in Berufung. Doch bis heute – vier Jahre später – hat die Justiz noch nicht einmal einen Prozesstermin anberaumt. „Das ist eine bewusste Verschleppung des Verfahrens“, sagt Bienstein und vermutet politische Einflussnahme.

Das Kammergericht bestätigt, dass das Verfahren sehr alt und bisher sehr wenig passiert sei. „Es ist auch richtig, dass das sehr misslich ist“, sagte Sprecher Ulrich Wimmer. Der Grund ist für ihn aber nicht Politik, sondern Überlastung des Gerichts. Ein Richter sei erkrankt, die Zuständigkeiten im Gericht seien neu verteilt worden. JOST MAURIN