KönigInnen von Deutschland

ALLES ANDERS Sie haben die Macht. Dies ist seit langer Zeit die beste Gelegenheit, aus diesem Land einen besseren Ort zu machen

VON ULRIKE WINKELMANN

Gut, dass den Leuten, die seit Monaten über die Langweiligkeit des Wahlkampfs lamentierten, noch rechtzeitig aufgefallen ist, wie langweilig das war. Die weit verbreitete Ratlosigkeit, was denn nun zu wählen sei, ist nämlich alles andere als Ausdruck von Langeweile. Viele BürgerInnen machen sich eben mehr als einen Gedanken dazu, von wem sie regiert werden wollen – großartig.

Wer dann jetzt, so weit schon alt genug, kurz innerlich zurückspult bis 2009, 2005 oder 2002, wird eines feststellen: Dies ist seit langer, langer Zeit die beste Gelegenheit, aus Deutschland ein besseres Land zu machen. Der wichtigste Grund dafür ist die Konjunktur. Der Boom der Industrie, auch wenn er in Teilen und unfairerweise zu Lasten Südeuropas geht, hat ein enormes zusätzliches Maß an Wohlstand nach Deutschland gespült. Dadurch haben sich einerseits die Steuereinnahmen ein bisschen erholt – andererseits haben weit überproportional die gutgestellten Privathaushalte profitiert.

Darum haben die drei Oppositionsparteien ihren Wahlkampf auf Umverteilungsthemen ausgerichtet. Die Grünen mögen sich damit nicht nur einen Gefallen getan haben. Das ändert aber an der richtigen Idee nichts – auf die die Opposition übrigens kein Monopol hat.

Wunderbar, dass auch bei der CDU aufgefallen ist, wie hübsch sich viele Leute zuletzt eingerichtet haben. Das Land ist stark, stark genug, um nun auch wieder die mitzunehmen, die zuletzt abgekoppelt wurden. Der Wohlstand ist groß, groß genug, um ihn ökologisch zu wandeln.

Ein simples Weiter-so, das hieße das Schlechte an 16 Jahren Helmut Kohl mit dem Schlechten einer global-neoliberalisierten Perspektive zu verknüpfen: bräsige Nabelschau vor einem ökonomischen Panorama aus privatem Reichtum und öffentlicher Armut. Die aktuell gern gebrauchte Rede von der „Alternativlosigkeit“ ist der Versuch, den Darwinismus der reinen Exportwirtschaft in Nationaleitelkeit zu wandeln: Schaut alle her, wie fleißig wir sind.

Wenn es einen deutschen Hang zum Leistungsstolz gibt, dann sollen die stolzen Leistungsträger gern beweisen, wozu sie wirklich fähig sind. Wer den Titel nicht braucht, wird von selbst wissen, was wir brauchen: ein Bildungssystem, das Leistung und nicht Herkunft belohnt. Kommunen, die Kindergärten, Schulen, Schwimmbäder und Parks in benutzbarem Zustand unterhalten können. Eine Ökologisierung von Industrie und Verbrauch. Ein Gesundheitssystem, das die Kränksten und nicht die Privatversicherten am besten versorgt. Ein Arbeitsmarkt, auf dem fair bezahlt wird.

Dieses Wochenende ist die Gelegenheit, Menschen ins Amt zu wählen, die dann hauptberuflich dafür zuständig sind, sich um all das zu kümmern. Also, bitte.

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