Ratgeber für Prostituierte gestoppt

Darf eine halbamtliche Broschüre Prostituierte ohne Papiere vor der Polizei warnen? Die bundeseigene GTZ zieht ihren Deutschlandreiseführer für Ukrainerinnen zurück

BERLIN taz ■ Die Broschüre ist möglichst verständlich gehalten. Im hinteren Teil wird erklärt, was eine Frau tun kann, die zur Prostitution gezwungen wird. Dass sie sich einem Arzt anvertrauen kann, ein Taxi anhalten oder ein Polizeiauto. Taxis seien meist weiß und hätten ein gelbes Schild, Polizeiautos dagegen grün und silberfarben. „Hilfreiche Sätze auf deutsch finden Sie am Ende dieser Broschüre.“

Es handelt sich um den „Deutschlandreiseführer für Frauen“. Die bundeseigene Entwicklungshilfe-Gesellschaft GTZ hat ihn vor gut einem Jahr herausgegeben, eine Anwältin hat mitgearbeitet und zwei Spezialistinnen von Frauenhilfsorganisationen. Er kam heraus, als der Visa-Ausschuss täglich Schlagzeilen machte und alle Welt forderte, dass etwas gegen den Handel mit Frauen aus der Ukraine getan und Zwangsprostituierten geholfen werden muss. Inzwischen ist die Broschüre eingestampft, seit Freitag hat sie die GTZ von ihrer Internetseite genommen.

Anlass dafür war eine Beschwerde von August Hanning. Früher leitete er den BND, seit Herbst ist er Staatssekretär in Wolfgang Schäubles Bundesinnenministerium. Hanning schrieb laut Welt am Sonntag an das Entwicklungsministerium, das die GTZ beaufsichtigt. In der Broschüre werde „strafbares Verhalten verharmlosend dargestellt“. Dabei geht es vor allem um eine Stelle, in der Ukrainerinnen ihre rechtliche Lage dargestellt wird, wenn sie als Prostituierte in Deutschland arbeiten. In Deutschland sei Prostitution zwar anders als in der Ukraine legal. „Dies gilt aber leider (…) nur für Menschen, die eine entsprechende Arbeits- und Aufenthaltsmöglichkeit haben.“

Anderswo in der Broschüre heißt es, wer ohne Papiere in Deutschland sei, könne sich „nicht wirklich an die Polizei wenden, denn wenn die Polizei erfährt, dass Sie keine legalen Aufenthaltspapiere haben, so muss die Polizei dafür sorgen, dass Sie Deutschland verlassen“. Hanning kritisiert laut Welt am Sonntag zudem, dass die Einreise über die Grenze mit den Worten „was viele Frauen machen“ erläutert ist.

Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl, einst Chef des Visa-Untersuchungsausschusses, polterte am Wochenende los: „Verkappte Anleitung zur illegalen Einreise, Prostitution und Schleusung.“

Das ist zwar übertrieben, aber ein Dilemma hat die Broschüre schon: Sie will betroffene Frauen ansprechen und versucht daher, an ihren möglichen Situationen oder an ihr Wissen anzuknüpfen. Für eine halbamtliche Broschüre einer bundeseigenen Organisation ist es freilich merkwürdig, vor der Polizei zu warnen.

GTZ-Sprecher Rudolf Seifen sagte gestern der taz, seine Organisation bedaure die „vorschnelle Herausgabe“ der Publikation. Den Betroffenen von Frauenhandel und Zwangsprostitution Hilfe zu geben, halte die GTZ nach wie vor für wichtig. „Es ist beabsichtigt, die Publikation in enger Abstimmung mit dem Innenministerium eventuell überarbeitet neu aufzulegen.“ LÖW