Buhlen um die Gunst türkischstämmiger Wähler

ÖSTERREICH Mit erfolgreichen Migranten auf ihren Listen gehen die Parteien vor den Wahlen bei ihren Neubürgern auf Stimmenfang. An der türkischen Community kommt keiner vorbei

WIEN taz | Der Wiener Gastwirt Hamza Ates hätte nicht gedacht, dass seine Liebesgabe so viel Wirbel auslösen würde. „Basbakanimiz Werner Faymann Seninleyizi“, steht auf dem roten Plakat mit dem Konterfei des wahlwerbenden Bundeskanzlers Werner Faymann, das der Gastronom für die türkischsprachige Community in Wien auf eigene Kosten hatte drucken lassen.

Allein, der Kanzler wusste es seinem Fan nicht zu danken. Bei einem TV-Duell am vergangenen Dienstag hatte FPÖ-Chef Heinz Christian Strache ein Täfelchen mit dem türkischen Plakat gezückt. Anbiederung an die Migranten sei das, so der Vorwurf.

Von Strache, der außer dem Ausländerthema wenig zu bieten hat, war nichts anderes zu erwarten als gespielte Empörung über ein fremdsprachiges Plakat. Was überraschte, war die Reaktion von Faymann. Den brachte das Plakat in Rage. Strache wisse genau, dass das nicht von der Partei in Auftrag gegeben worden sei. Er solle seinen Vorwurf zurücknehmen. Tatsächlich wurden die vom Gastwirt gesponserten Poster auf Anweisung der Partei abgerissen oder überklebt.

Die SPÖ, die seit Jahren in ihren Wiener Hochburgen Stimmen an die fremdenfeindliche FPÖ verliert, will sich gegenüber der proletarischen Stammklientel keine Blöße geben. Auf Werbebroschüren des SPÖ-Kandidaten Resul Ekrem Gönültas, die tatsächlich in Türkisch abgefasst sind, ging Faymann im Duell gar nicht ein. Türkischstämmige Österreicher sind besonders in der Hauptstadt Wien eine wichtige Wählergruppe. Keine Partei, außer der FPÖ, kommt ohne Kandidaten aus der Gastarbeiter-Community aus – nicht alle aber auf aussichtsreichen Positionen.

Die Grünen haben mit Menschenrechts- und Migrantensprecherin Alev Korun schon seit fünf Jahren eine in der Türkei geborene Nationalratsabgeordnete. Auch im Bundesrat sitzt mit Efgani Dönmez ein „Türke“ für die Grünen Oberösterreichs. Selbst die christdemokratische ÖVP setzt auf einen türkischstämmigen Muslim. Mit Hasan Vural hat sie aber kein glückliches Händchen bewiesen. Der der AKP von Premier Erdogan nahestehende Unternehmer wurde jüngst bei einem Wahlkampfauftritt in Wien von einem ehemaligen Minister der rechten Mutterlandspartei unterstützt. Auf Türkisch, versteht sich.

Die ÖVP brachte er letzte Woche in Verlegenheit, als er Angestellten des Wiener Jugendamts vorwarf, „rassistisch“ vorzugehen. Türkische Kinder würden gezielt aus ihren Familien gerissen und christlichen Zieheltern überantwortet. Er wurde von seiner Partei zu einer „Klarstellung“ gezwungen: „Ein Kind ist genauso gut bei einer christlichen Familie wie bei jeder Familie eines anderen Glaubens aufgehoben, ich mache hier überhaupt keinen Unterschied“.

Nicht auf Parteilinie war auch der Grüne Efgani Dönmez, der nach Demonstrationen regimetreuer Türken in Wien gegen die Gezipark-Bewegung laut über eine Abschiebung dieser Leute in ihr Heimatland nachgedacht hatte. Die Stimmen der Neoösterreicher gehen mehrheitlich an SPÖ und Grüne. Nur bei den serbischen Nationalisten hat die FPÖ die Nase vorn. RALF LEONHARD