Mehr als die Summe der einzelnen Teile

URTEIL Das LKA Niedersachsen muss DNA-Profil löschen – obwohl der Kläger Speichelprobe zustimmte

■ Die Gen-Datei wurde 1997 beim Bundeskriminalamt eingerichtet.

■ Gespeichert wird ein zehnstelliger Code, das so genannte DNA-Identifizierungsmuster, von Verdächtigen aus dem laufenden Fahndungsbetrieb und von bereits verurteilten Straftätern.

■ Allerdings darf die Speicherung laut Bundesverfassungsgericht nicht nur mit der bloßen Aufzählung bisheriger Straftaten begründet werden. Daraus ergebe sich nicht, dass weitere „erhebliche“ Straftaten zu befürchten seien.

■ Bei Erwachsenen wird nach zehn Jahren (bei Jugendlichen nach fünf) geprüft, ob die Daten zu zu löschen sind.

Das Verwaltungsgericht Hannover hat am Montag der Klage eines Mannes auf Löschung seines DNA-Profils stattgegeben. Er hatte 2007 freiwillig einer Speichelprobe zugestimmt. Das Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA) hatte es abgelehnt, seine Daten aus der Gen-Datei zu löschen, weil er immer wieder polizeilich in Erscheinung getreten war. Die Richter entschieden, dass die Probe und das Speichern der Daten rechtswidrig waren.

„Die freiwillige Einwilligung ersetzt nur den Richtervorbehalt“, sagt Burkhard Lange vom Verwaltungsgericht Hannover. „Die Polizei muss sich aber trotzdem vorher alle Ermittlungsakten kommen lassen, sie prüfen und dann eine Prognose erstellen.“ Nur wenn diese Prognose negativ ausfalle, seien Probe und Speicherung überhaupt zulässig. Das sei hier nicht passiert. Es gebe lediglich zwei Tage nach dem Entnehmen der DNA-Probe einen Aktenvermerk und darin tauche nur eine Übersicht der bisherigen Straften auf.

Der Kläger war bei der Polizei als „notorischer Rechtsbrecher“ bekannt, war etwa wegen Diebstahls, Schwarzfahrens oder häuslicher Gewalt aufgefallen und bereits zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. „Es reicht aber nicht, alles zusammenzurechnen und aus der Summe zu schließen, dass schon weitere Straftaten folgen werden“, sagt Lange. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2009 darf der genetische Fingerabdruck nur dann gespeichert werden, wenn auch in Zukunft erhebliche Straftaten zu erwarten sind. „Und das wurde hier schlicht nicht überprüft, sondern einfach nur vorausgesetzt“, sagt Lange.

Mit dem schriftlichen Urteil wird in zwei Wochen gerechnet und dann könnte diese Entscheidung noch weitere Klagen nach sich ziehen. „Es könnte sich zeigen, dass in diesem Verfahren die damals übliche Praxis der Polizei abgebildet wurde“, sagt Lange. Das LKA war am Montag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.  ILK