Die Stasi macht Pressearbeit

Bei einer Buchpräsentation leugnen Ex-Stasi-Leute Verbrechen in MfS-Haftanstalten

Ein einfacher Trick, um eigenes Verhalten jeder Art zu rechtfertigen, ist: Man behauptet, als Einziger die Wahrheit zu kennen. Bei der Vorstellung zweier Bücher der „edition ost“ gestern in Lichtenberg klang das aus dem Mund Peter Pfützes so: „Ich habe dieses Buch geschrieben, weil noch immer behauptet wird, es wären schlimme Dinge in den Haftanstalten des MfS passiert.“

Pfütze, Jahrgang 1933, war von 1953 bis Ende 1989 beim Ministerium für Staatssicherheit. Seit 1974 organisierte er Westkontakte mit Inhaftierten in der DDR. Sein neues Buch „Besuchszeit – Westdiplomaten in besonderer Mission“ schmäht Stasi-Opfer als Täter. „Mitarbeiter der Ständigen Vertretung der BRD bei der DDR trafen sich mit inhaftierten Bundesbürgern und Westberlinern“, heißt es im Klappentext. „Das waren Schleuser, Spione oder Mörder, eben Menschen, die gegen die Gesetze der DDR verstoßen hatten.“ Und er, Pfütze, „berichtet sachlich, was war“. Seine Wahrheit eben.

Angekündigt zur Buchpräsentation war auch Ex-Auslandsgeheimdienstchef Markus Wolf. Zwar kam der nicht, doch die versammelte Hauptstadtpresse blieb. Der Kinofilm „Das Leben der anderen“ trägt das Thema Stasi wieder ins öffentliche Bewusstsein. Das offene Auftreten der Stasi-Seilschaft „Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung e. V.“ (GRH) bei einer Diskussionsveranstaltung in der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen im März tat das Übrige. Das MfS ist wieder Thema. Der alte Streit über die Wahrheit auch.

Immer wieder erhoben sich Zuschauer, die aufgewühlt ihre Geschichte erzählten. Eine circa 50-jährige Frau aus dem Publikum stand auf, berichtete, wie die Stasi sie mit Medikamenten voll gepumpt habe. Ein grauhaariger Mann in der Reihe hinter ihr fragte: „Warum waren Sie denn im Knast?“ – „Weil ich einen Mann liebte, den ich heiraten wollte.“ In der Reihe vor ihr drehte sich ein bisher stiller Zuhörer zu ihr um und sagte kühl: „Das war nicht alles.“ Der Mann kannte sicher die Wahrheit. Er war von der GRH. MATTHIAS LOHRE