Nicht abgeschoben ist nicht aufgehoben

Die geplante Abschiebung dreier Familien in das Kosovo ist größtenteils gescheitert. Zwei ältere Flüchtlinge sind laut Amtsarzt zu krank, eine junge Frau ist wohl traumatisiert. Zum Teil wurden bereits neue Abschiebetermine angesetzt

Die für Donnerstag angesetzte Abschiebung von drei Familien ins Kosovo ist größtenteils gescheitert. Nach Angaben des Flüchtlingsrats konnte die Ausländerbehörde lediglich den Vater und den ältesten Sohn der achtköpfigen Flüchtlingsfamilie S. (taz berichtete) nach Priština abschieben. Die übrigen Familienmitglieder waren für die Behörden nicht auffindbar. Auch die geplante Abschiebung des Ehepaars R. und der Familie I. ins Kosovo scheiterte.

Das Vorgehen der Behörden im Fall des Ehepaars R. bezeichnet der Flüchtlingsrat „als besonders menschenverachtend“. Am Abend vor der geplanten Abschiebung hatte ein Amtsarzt das gebrechliche Paar für nicht reisefähig erklärt und so die Entlassung aus der Haft erwirkt. Als sich der 58-jährige Mann und die 64-jährige Frau am Tag darauf bei der Ausländerbehörde meldeten, wurden sie erneut in Gewahrsam genommen. Nun sollen sie am 25. April abgeschoben werden. „Die R.s sind beide schwer krank und auf die Hilfe ihrer Kinder in Deutschland angewiesen“, erklärt Eva Weber vom Flüchtlingsrat. Sie hat das Paar noch am Mittwochabend besucht. Weber befürchtet, dass die beiden im Kosovo nicht lange überleben würden.

Gescheitert ist auch die Abschiebung der Familie I. Bis auf die Mutter und den Sohn, die in psychiatrischer Behandlung sind, sollten alle Mitglieder das Land verlassen. Während die 22-jährige Tochter Lutfije I. im Abschiebeknast auf ihren Abtransport wartete, war der Rest der Familie am Mittwoch nicht auffindbar. Lutfije I.s Abschiebung wurde schließlich vom Oberverwaltungsgericht gestoppt: Vor Gericht müsse noch geklärt werden, ob die 22-Jährige traumatisiert ist. Skandalös findet Eva Weber, dass die junge Frau inhaftiert bleibt: „Bei einer gescheiterten Abschiebung ist eine Inhaftierung rechtswidrig.“

Im Zusammenhang mit der teilweise erfolgten Abschiebung der Familie S. erhebt der Flüchtlingsrat schwere Vorwürfe gegen Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Er habe sich geweigert, einen Antrag der Familie auf Behandlung ihres Falles in der Härtefallkommission zu beachten. „Nach der Rechtsverordnung ist die Abschiebung bis zur Beratung der Kommission auszusetzen“, erklärt Georg Classen vom Flüchtlingsrat. Bereits im März, so Classen, habe die Ausländerbehöre im Fall S. rechtswidrig gehandelt. Damals waren selbst die vier minderjährigen Kinder in Abschiebehaft genommen worden. „Es ist uns nicht bekannt, dass in Deutschland Kinder inhaftiert werden dürfen“, wundert sich Classen.

Wunderlich findet er auch Körtings harten Abschiebekurs. Denn andererseits setze sich der Senator – zur Freude des Flüchtlingsrats – für eine Bleiberechtsregelung ein; ein Thema, das bei der nächsten Innenministerkonferenz diskutiert wird. Classen mutmaßt, dass sich Körting mit seinem harten Kurs erst vor den Innenministerkollegen profilieren will, um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen. „Das ist zwar merkwürdig, aber anders kann ich mir das nicht erklären.“ Körting war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Torsten Gellner