Stadt der Stifter

STIFTUNGSHAUPTSTADT In Stiftungen findet die hanseatische Tradition des bürgerschaftlichen Engagements ihren modernen Ausdruck. Die Linke sähe deren Geld lieber im Staatssäckel

David Ben-Gurion-Stiftung: Vor zwei Jahren zur Förderung der Völkerverständigung und der internationalen Toleranz errichtet. Die Verbundenheit zwischen Deutschland und Israel – insbesondere in Bezug auf Hamburg – soll gefördert werden.

Deutsch-Türkische Stiftung DTS: Zweck der DTS ist es, das gegenseitige Verständnis und den Respekt zwischen Deutschen und Türken zu fördern. Ins Leben gerufen wurde sie 1998 durch den Unternehmer und ehemaligen Europaparlamentarier Vural Öger.

Hamburg Global Climate Foundation: Engagiert sich in den Bereichen Umwelt- und Naturschutz. Die Stiftung betreibt eigene Projekte, darunter vor allem Waldprojekte, sowie unabhängige Forschungseinrichtungen.

Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte: Zweck der Stiftung ist es, Hilfestellung für politisch Verfolgte zu leisten und ihnen den Aufenthalt in der Stadt Hamburg zu ermöglichen. Unterstützt vor allem Personen, die sich in ihrer Heimat für den Erhalt der Menschenrechte stark gemacht haben.

Hamburger Stiftung für NS-Verfolgte: 1988 durch die Stadt Hamburg ins Leben gerufen. Zweck der Stiftung ist es, Opfer von NS-Verbrechen sowie deren Angehörige – also politische sowie rassisch Verfolgte, Wehrdienstverweigerer, Homosexuelle oder Zwangsarbeiter – zu unterstützen.

Leuchtfeuer Stiftung: Errichtet zur Betreuung und Versorgung schwerkranker Menschen, insbesondere Menschen mit Aids oder HIV. Zu diesem Zweck unterstützt die Stiftung die Leuchtfeuer Aids Hilfe GmbH.

Nabu-Umweltstiftung Hamburg: Die Stiftung wurde vor zehn Jahren zur Förderung des NABU Landesverbandes Hamburg e.V. errichtet. Dieser engagiert sich im Bereich der Natur- sowie Umweltschutzarbeit.

Kurt und Herma Römer Stiftung: Leistet humanitäre Hilfe für ehemalige NS-Zwangsarbeiter und vergibt Forschungs- und Ausbildungsstipendien.

VON MART-JAN KNOCHE

Die Sparkasse war eine soziale Errungenschaft, als reiche Privatleute sie erfanden. In den Zeiten der Aufklärung keimte die Idee eines Kreditinstituts für die gemeine, unvermögende Bevölkerung. Auch die elendig Armen sollten ein verzinsliches Mikro-Sparvermögen anlegen können, um den widrigen Lebensbedingungen des 18. Jahrhunderts noch krank und im Alter zu trotzen. Und um mit ihren Ersparnissen die regionale Wirtschaft zu fördern. Liberale Hamburger Kaufleute erbarmten sich. Sie gründeten im Jahre 1778 die erste Sparkasse Europas: Die Ersparungs-Casse der Patriotischen Gesellschaft.

Heute gilt die Patriotische Gesellschaft von 1765 als Inbegriff der Kontinuität in der hanseatischen Tradition von bürgerschaftlichem Engagement. Heute ist die Sozietät Gesellschafter des Straßenmagazins Hinz und Kunzt, dem größten Beschäftigungsprojekt für Obdachlose in der Stadt. Am 5. Juni veranstaltet sie den dritten Hamburger Stiftungstag (siehe Kasten), der als Schaufenster von aktuell 1.167 ansässigen Stiftungen deren bundesweit einmaliges Wirken feiern soll.

Nirgends in Deutschland siedeln sich so viele Stiftungen an wie hier, knapp doppelt so viele wie in Berlin mit seinen derzeit 690. Nirgends ruht und gedeiht ein Stiftungsvermögen wie hier: Geschätzte sieben Milliarden Euro – ungefähr genauso viel wie die Summe der gesamten jährlichen Steuereinnahmen der Hansestadt. Nirgends also enteignen sich die Reichen so zahlreich und leichten Herzens selbst wie in Hamburg – und stiften privates Vermögen für wohltätige Zwecke der Gesellschaft.

In rasantem Tempo gründeten sich in den letzten zwei Jahrzehnten neue Stiftungen. Kamen 1990 nur neun hinzu, 1997 noch 16, so verzeichnete Hamburg seit 2000 jährlich zwischen 35 und 67 Neugründungen.

Altonaer Stiftung für philosophische Grundlagenforschung: Zweck der Stiftung laut Satzung ist die „Förderung der interdisziplinären Grundlagenforschung zur Dialektik in Logik, Epistemologie, Mathematik, Metaphysik, angewandter Ethik und Recht“.

Stiftung Gemeinsames Rücknahmesystem Batterien: Zweck der Stiftung ist die Organisation und Durchführung der privaten Entsorgung von Batterien.

Vattenfall Europe Umweltstiftung: 1994 durch die Hamburgische Electricitäts-Werke AG errichtet. Gefördert werden sollen Projekte des Naturschutzes sowie Bildungseinrichtungen, die ein verbessertes Umweltverständnis zum Ziel haben.

Frauen Sinnstiftung: Unterstützt Frauen in schwierigen Lebenssituationen, indem sie sie in den „lebensnotwendigen Bereichen der Haushaltsführung, Gesundheitsvorsorge und Ernährungslehre“ berät. Gestiftet 2001 durch den Ev.-Luth. Kirchenkreis Stormarn.

Gitarre-Foundation Hamburg –Stiftung Maier Nienborg: Fördert Kunst, Kultur und Völkerverständigung durch die Kultivierung der Gitarre und ihrer Musik. Die Stiftung unterstützt unter anderem die Fachzeitschrift „gitarre aktuell“.

Molckenbuhr’sche Stiftung für alte weibliche Dienstboten: Kümmert sich um bedürftige ältere Damen, vorwiegend im Stadtteil Altona, vor allem durch die preisgünstige Vermietung von altersgerechten Wohnungen.

Stiftung der Deutschen Kakao- und Schokoladenwirtschaft: Fördert Wissenschaft, Bildung und Forschung im Zusammenhang mit Schokolade. Engagiert sich in der Weiterentwicklung des Kakaoanbaus in seinen Ursprungsländern.

Stiftung Internationaler Gärtneraustausch: Zur Förderung der Berufsbildung und der Völkerverständigung ins Leben gerufen. Erreicht wird dies hauptsächlich durch den internationalen Gärtneraustausch, welcher der Stiftung ihren Namen gegeben hat.

„Das traditionsreiche Mäzenatentum vor Ort ist ein Grund dafür“, sagt Anke Pätsch vom Bundesverband Deutscher Stiftungen. Ein starkes Bürgertum, das über Jahrhunderte Verantwortung übernahm, habe die Entwicklung des Hamburger Stiftungswesens begünstigt. „In Hansestädten beobachten wir das generell“, so Pätsch. Zudem komme der Wohlstand zum Tragen. „Ein hohes Pro-Kopf-Einkommen wie in Hamburg hat positiven Einfluss auf die Zahl der Stiftungsgründungen.“ Wie hoch das gesamte Hamburger Stiftungsvermögen aber tatsächlich ist, könne nur geschätzt werden. „Die Bundesländer kennen oft nur das Kapital des Anfangsvermögens“, sagt Pätsch.

In diese Kerbe schlug Anfang des Jahres Dora Heyenn, Fraktionsvorsitzende der Linken, mit einer Fundamentalkritik des Stiftungswesens: Dieses habe „in Hamburg ein unverhältnismäßiges Ausmaß angenommen“, sagte Heyenn dem Hamburger Abendblatt. Einnahmen durch Steuern habe der Senat „überhaupt nicht im Blick“. Eigentlich müsse das Parlament darüber entscheiden, wie dieses Geld ausgegeben wird.

Die Justizbehörde, zuständig für die Stiftungsaufsicht, widerspricht: Die Kontrolle sei hinreichend transparent gestaltet. In Hamburg werde umfassender kontrolliert als anderswo, beispielsweise in Bayern, sagt eine Sprecherin. Und: „Es wäre schlicht ungerecht“, die Steuerbefreiung für eine einzelne Rechtsform des gemeinnützigen Engagements aufzuheben.

Auch der Bundesverband Deutscher Stiftungen widerspricht der Linken: Die Annahme, dass Stiftungen die Besteuerung von Vermögen verhindern würden, zeuge von „Unkenntnis“, sagt Sprecherin Pätsch. Das gestiftete Vermögen sei zwar wie jede Spende steuerfrei, bewirke aber keine steuerliche Begünstigung für den Stifter. „Der trennt sich unwiderruflich und für immer vom gestifteten Vermögenswert.“

Einen Überblick über die mehr als 1.100 Hamburger Stiftungen bietet der Initiativkreis Hamburger Stiftungen mit dem dritten „Hamburger Stiftungstag“ am 5. Mai.

■ 80 Stiftungen stellen von 11 bis 18 Uhr im Rathaus und in der Handelskammer ihre Arbeit vor.

In Workshops und Kurzvorträgen können Interessierte und Stifter sich über Themen rund um das Stiften informieren.

■ Das Spektrum der gemeinnützigen Organisationen reicht von der Open NetworX Stiftung, die sich mit sozialen Online-Netzwerken beschäftigt, über die Stiftung Nachbarschaft der SAGA, bis hin zum Kinder-Hospiz Sternenbrücke.

■ In einer Podiumsdiskussion zum Abschluss der Veranstaltung wird die Frage diskutiert, mit welcher Motivation gestiftet wird – „Selbstverwirklichung oder Gemeinwohl?“

Seit Jahren versucht der Gesetzgeber die Bedingungen für Stiftungen günstiger zu gestalten. Wohl kein Zufall, dass ein Politiker mit hanseatischen Wurzeln zuletzt das „Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements“ auf den Weg brachte: Peer Steinbrück, 2007 noch Finanzminister, erwirkte, dass die Höchstgrenze für Steuerbegünstigungen von Spenden, die an Stiftungen gehen, auf eine Million Euro angehoben wurde.

Ungünstig für das Stiftungswesen fiel die Krise an den Finanzmärkten aus. Es kursieren Schätzungen, nach denen das Gesamtvermögen der deutschen Stiftungen um durchschnittlich 20 bis 30 Prozent geschrumpft ist. Die Zeit-Stiftung, zweitgrößte Stiftung Hamburgs, verlor von ihrem 800 Millionen-Vermögen rund 75 Millionen Euro. Doch änderte dies nichts daran, dass die Stiftungslandschaft bundesweit wächst.

Die Patriotische Gesellschaft von 1765 feierte vorige Woche derweil ihren 245. Geburtstag. Und unter die Gäste mischte sich im alt-hanseatischen Klinkerbau an der Trostbrücke sogar ein pflichtbewusster Linke-Politiker: Als Vize-Präsident der Hamburgischen Bürgerschaft kam Wolfgang Joithe von Krosigk nicht umhin, zu den rund 150 Geladenen zu gehören, die an diesem Abend unentwegt auf die Stiftungshauptstadt Hamburg ihre Gläser erhoben.