ausgehen und rumstehen
: Schmutzschichten gegen die Schuld

Ostern ist herrlich, wie Weihnachten, nur ohne Schnee und Heimfahrzwang. Für mich fängt dieses verdoppelte Wochenende dank ausgedehnter Aktivitäten an den Abenden davor erst am Freitag an – donnerstags wollte ich einfach nur in Straßenbekleidung und Schuhen einschlafen, während das Licht brannte.

Im Kreuzberger Restaurant „Da Gino“ (das seinen italienischen Namen nur zur Tarnung trägt, weil es dort beinahe so wurzelgemüsig zugeht wie in der „Oderquelle“ in Prenzlauer Berg) ertappe ich meine Freundinnen tags darauf beim Verspeisen eines dreigängigen Menüs. Es sieht köstlich aus, was da vor ihnen liegt, ich will mich anschließen – und werde vom wohl uneigennützigsten aller Wirte daran gehindert. „Meinst du nicht, dass du dir etwas zu viel zumutest?“, warnt er, während er zwischen meinen Wünschen und meiner Statur hin- und herblickt. Vielleicht ist der Wirt aber auch einfach nur schlau: In Zukunft spare ich mir nämlich eine Mitgliedschaft im Schlankheitsstudio und suche mir lieber einen Stammplatz in diesem freundlichen Laden.

Fünf Stunden Wirtshaus später schwanken wir ins Basso, zur Launch-Party des ziemlich neuen Amsterdamer Lesbenmagazins GLU („Girls Like Us“). Mit dem ziemlich neuen Pornomagazin für Mädchen, „Glück“, hat GLU das A5-Format und die Abbildung von ungeschönten Körpern gemeinsam, Gott sei Dank aber nicht dessen unentschiedene Verhaltenheit. Der Grad der Entfesselung, mit der sich die BesucherInnen durch den nicht mal überfüllten Raum schubsen, rempeln und schieben, repräsentiert den Geist des Magazins vortrefflich. Als Heidi Mortenson Brüste sehen will, kriegt sie welche – auch die von Kevin Blechdom, allerdings verpackt in einen grünen Batik-BH; vor der Tür überrasche ich ein fröhliches Mädchen, das einem ebenso fröhlichen Jungen auf den Kopf pinkelt.

Nach so viel Schmuddelsex und der ohnehin ein ums andere Mal missachteten Fastenzeit versuche ich am Samstag, meine angehäufte Schuld durch Gartenarbeit abzutragen. Mit Erfolg – ich habe sogar das Gefühl, die innerliche Reinigung wird größer, je mehr Schmutzschichten sich mein Körper im Laufe der Stunden zulegt.

Meine Buße wird belohnt: mit einem Ostersonntag inmitten der gar nicht so schlecht lebenden Boheme – von links steckt man mir Apfelkuchen zu, von rechts einen Schweizer Confiseriehasen aus Gelée, und das Rotweinglas füllt sich immer wie von selbst. Nicht dass es zu Hause nicht auch schön gewesen wäre. Aber mal ehrlich: das Paradies ist anderswo. LORRAINE HAIST